Mittelmeer-Drama „Lifeline“-Kapitän soll auf Malta vor Gericht gestellt werden

Valletta · „Alle Menschen sind von Bord“, berichten die Lifeline-Aktivisten nach der tagelangen Flüchtlingsodyssee auf dem Mittelmeer. Sie müssen nun rechtliche Folgen fürchten - und stehen vor einer ungewissen Zukunft.

  Claus-Peter Reisch (Archiv).

Claus-Peter Reisch (Archiv).

Foto: dpa/Axel Steier

Nach dem Drama um das tagelang auf dem Mittelmeer blockierte Rettungsschiff „Lifeline“ mit Flüchtlingen an Bord haben die Aktivisten die Zukunft solcher Missionen offengelassen. Man könne noch keine Aussage dazu machen, ob man gleich wieder rausfahre, sagte Sprecherin Marie Naass am Donnerstag in Berlin. Das müsse man erst innerhalb der Organisation besprechen. Wenn man nicht mehr vor Ort sei, würden Menschen im Mittelmeer sterben. „Wir wissen aber auch, dass unsere Arbeit massiv erschwert wird - und wir können so eine "Lifeline"-Situation nicht jede Woche haben.“

Das Rettungsschiff musste mit rund 230 Flüchtlingen an Bord sechs Tage lange im Meer ausharren, bis es schließlich am Mittwoch einen Hafen auf Malta anlaufen durfte. Zuvor hatte das Schiff „Aquarius“ mit Flüchtlingen an Bord nach tagelanger Irrfahrt schließlich in Spanien angelegt. Die Aktivisten der Dresdner Hilfsorganisation Mission Lifeline müssen nun rechtliche Konsequenzen fürchten, weisen aber alle Anschuldigungen von sich.

Kapitän Claus-Peter Reisch war am Donnerstag von der Polizei in Malta verhört worden, wie der Rechtsberater der Organisation sagte. Er soll nun auf Malta vor Gericht gestellt werden. Reisch werden Verfehlungen im Zusammenhang mit der Registrierung des Schiffes vorgeworfen, wie der maltesische Rechtsbeistand Neil Falzon der Dresdner Organisation mitteilte. Gerichtstermin sei am Montag.

Reisch war auch vorgehalten worden, die Anweisungen der italienischen Behörden bei der Rettung der Migranten vor Libyen ignoriert zu haben. Die Regierung in Rom hatte das Schiff nach eigenen Angaben angewiesen, der libyschen Küstenwache die Bergung zu überlassen. Nach Darstellung der Helfer kam die Küstenwache aber nicht schnell genug zu Hilfe.

Kapitän und Crew seien in einem Hotel in Malta sicher untergebracht worden, sagte Sprecherin Naass in Berlin. Man kooperiere mit den Behörden in Malta und gebe alle gewünschten Informationen weiter. Dann müsse intern besprochen werden, wie es weitergehe. „Erst mal muss es darum gehen, dass es der Crew gut geht und dass sich die Lage irgendwie entspannt und dass sich alle sortieren können.“ Auf Twitter rief die Organisation zu neuen Spenden auf.

Die Aktivisten sehen sich als Opfer einer Kriminalisierungskampagne. „Wir werden zu Sündenböcken gemacht für eine gescheiterte Migrationspolitik auf europäischer Ebene“, sagte Naass. Die „Lifeline“ habe sich an alle internationalen Konventionen gehalten.

Die maltesische Regierung erklärte, dass mittlerweile auch Norwegen zugestimmt habe, Flüchtlinge des Schiffs aufzunehmen. Damit sind es insgesamt neun europäische Länder. Die Bundesregierung sieht sich bisher nicht in der Pflicht, obwohl mehrere Bundesländer Hilfe angeboten haben. Innenminister Horst Seehofer (CSU) nannte Bedingungen für eine mögliche Aufnahme. Eine Voraussetzung sei, dass das Schiff festgesetzt werde. Populistische Äußerungen aus dem Innenministerium seien es nicht wert, kommentiert zu werden, entgegnete Naass.

234 Migranten sind nach Angaben der maltesischen Regierung im Hafen in Senglea vor Valletta an Land gebracht worden. Sechs Menschen, darunter drei Babys, kamen in ein Krankenhaus auf der Mittelmeerinsel. Mission-Lifeline-Sprecher Axel Steier erzählte bei der Ankunft der Migranten, viele seien in Libyen gefoltert worden. Ein zweijähriges Kind sei alleine auf dem Schiff gewesen. „Es ist eine Schande, dass Deutschland nicht angeboten hat, eine paar Migranten zu übernehmen.“

(wer/dpa)
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