Starker Anstieg der Nachfrage Langzeiturlaube liegen im Trend – Arbeiten in der Sonne boomt

Berlin · Neue flexible Arbeitsplatz-Regeln, mehr Gehalt und hohe Energiepreise zuhause – immer mehr Deutsche fliehen in den kalten Wintermonaten für längere Zeit in wärmere Regionen. Langzeiturlaube im Süden liegen voll im Trend – nicht mehr nur bei Rentnerinnen und Rentnern. Hierhin reisen die Deutschen.

Laptop und Internet: Mehr braucht es nicht, um von überall auf der Welt zu arbeiten.

Laptop und Internet: Mehr braucht es nicht, um von überall auf der Welt zu arbeiten.

Foto: dpa-tmn/Patrick Seeger

Großzügige Homeoffice-Regelungen, hohe Energiepreise und das trübe Wetter im deutschen Winter haben einen Reisetrend verstärkt: Immer mehr Deutsche entscheiden sich in diesen kalten Wintermonaten für einen längeren Aufenthalt in wärmeren und oft auch günstigeren Regionen. Langzeiturlaube und „Workation“-Aufenthalte – eine Mischung aus Urlaub und Arbeit – etwa auf den Kanarischen Inseln, in Nordafrika oder der Türkei werden nicht mehr nur von Rentnerinnen und Rentnern, sondern zunehmend auch von jüngeren Menschen im Erwerbsalter nachgefragt.

„Langzeiturlaub erfreut sich zunehmend wieder größerer Beliebtheit. Da die Buchungen in den letzten zwei Jahren tendenziell kurzfristiger getätigt wurden, stehen für den Winter 2022/23 sicher noch einige Buchungen aus. Aber wir sehen in der Tat jetzt schon den Trend, dass immer mehr unserer Gäste eine längere Zeit im Ausland verbringen“, sagt Sven Schikarsky, Chief Product Officer der DER Touristik. Das Rewe-Tochterunternehmen gehört neben Tui Deutschland und Alltours zu den größten deutschen Reiseveranstaltern.

„Die beliebtesten Longstay-Ziele unserer Gäste sind im Winter die Kanaren, die Türkei, Tunesien, Ägypten, Thailand, Mallorca und Portugal. Für die Türkei verzeichnen wir beispielsweise einen Umsatzzuwachs von 55 Prozent gegenüber dem Vor-Coronajahr 2019. Auch in Tunesien ist der Anteil an Langzeiturlauben im Vergleich zu regulären Urlauben um knapp 20 Prozent gestiegen“, sagt Schikarsky.

Bis zur Corona-Pandemie hätten fast nur Rentnerinnen und Rentner in wärmeren Gefilden für längere Zeit überwintert. „Hinzugekommen ist in den vergangenen Jahren eine Gruppe jüngerer Menschen, die ihren Arbeitsplatz zeitweise ins Ausland verlegen können. Also, Workation machen – eine Kombination aus Arbeit und Urlaub“, sagt der DER-Manager. „Die längste Aufenthaltsdauer wurde bisher in diesem Winter mit 175 Tagen (knapp ein halbes Jahr) in Tunesien und mit 150 Tagen (knapp fünf Monate) auf den Kanaren gebucht. Im Schnitt bleiben unsere Langzeiturlauber 29 Tage“, berichtet Schikarsky. Ob man im Süden günstiger überwintere, hänge zwar von der jeweiligen Lebenssituation ab. „Fakt ist aber, dass sich der nasskalte deutsche Winter unter Palmen sehr angenehm verbringen lässt. Wenn man dann noch Heizkosten spart, lohnt es sich doppelt.“

Immer mehr Arbeitgeber bieten flexible Arbeitsplatz-Lösungen an, um Mitarbeiter zu halten. Sie werden von jüngeren Beschäftigten heute auch wie selbstverständlich als Voraussetzung bei der Einstellung nachgefragt. „Die Hotels in den entsprechenden Destinationen stellen sich daher immer mehr auf die speziellen Bedürfnisse der Workation-Gäste ein und bieten Zimmer mit größeren Schreibtischen, ergonomischen Stühlen, Druckern, Monitoren und so weiter. Highspeed-Wlan und Coworking-Bereiche gehören dazu“, berichtet Schikarsky.

Von einer ähnlichen Entwicklung berichtet auch die Tui, der weltgrößte Reisekonzern. Zielgruppe vieler Hotels in der Zeit von Anfang November bis Ende April sind laut Tui zunehmend Menschen, die „dem deutschen Winterwetter und steigenden Energiekosten entfliehen“ wollen.

Wer zuhause in der kalten Jahreszeit die Heizung ausdrehen kann, kann zudem angesichts der Energiepreiskrise stattliche Summen sparen – für einen Zwei-Personen-Haushalt etwa können es monatlich 200 bis 400 Euro sein. „Mit den neuen Möglichkeiten des Homeoffice und flexiblen Arbeitszeitmodellen hat der Trend eine neue Klientel geschaffen“, sagte unlängst Tui-Deutschland-Chef Stefan Baumert.

Der Deutsche Reiseverband (DRV) erwartet insgesamt nach der sehr schwierigen Corona-Phase mit großen Umsatzeinbrüchen ein wieder anziehendes Geschäft. „Der bevorstehende Reisewinter wird im Vergleich zur Wintersaison vor einem Jahr aller Voraussicht nach deutlich besser werden“, sagte DRV-Chef Norbert Fiebig im Herbst anlässlich der Jahrestagung der Branche. Die meisten Reiseländer hätten keine Corona-Einreisebeschränkungen oder nur noch geringe Auflagen.

Im Vergleich zum Vor-Corona-Winterhalbjahr 2018/2019 lag der Buchungsumsatz mit Stand Ende August allerdings um ein Drittel im Rückstand. Mit Blick auf 2023 sorgen sich manche Veranstalter zudem wegen der historisch hohen Inflation um die Reisenachfrage. In der bevorstehenden Wintersaison profitierten Kunden aber noch von langfristig abgeschlossenen Verträgen, sagte Fiebig.

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