Ministerpräsidentenkonferenz in Brüssel Länder machen sich bei der EU für Industriestrompreis stark

Brüssel · Sie werden über den Wolf reden, über schleppende EU-Verfahren, die Klimakrise, die Energiekosten und intensiv auch über die Migration: Mittwoch und Donnerstag tagt die deutsche Ministerpräsidentenkonferenz in Brüssel und sucht den Austausch mit einer ganzen Reihe von EU-Kommissaren.

Stephan Weil (SPD) aus Niedersachen und Hendrik Wüst (CDU) aus NRW am Rande einer Ministerpräsidentenkonferenz in Hannover.

Stephan Weil (SPD) aus Niedersachen und Hendrik Wüst (CDU) aus NRW am Rande einer Ministerpräsidentenkonferenz in Hannover.

Foto: dpa/Michael Matthey

WWW steht an diesem Mittwoch in Europas Hauptstadt für Weil, Wüst, Wolf. Erstmals seit fünf Jahren treffen sich die deutschen Regierungschefs zu einer zweitägigen Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) in Brüssel. Unter der Leitung von MPK-Chef Stephan Weil (SPD) aus Niedersachsen und seinem Ko-Vorsitzenden von der Seite der unionsregierten Länder, Hendrik Wüst (NRW), werden die Spitzenpolitiker von vermutlich ziemlich lautstarkem Bauernprotest in Brüssel begrüßt. Die Landwirte sind die hohe Zahl von Wölfen gerissener Weidetiere leid und fordern ein Umdenken der Politik in Land, Bund und Europa. Im Vorfeld signalisierte auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) bereits Entgegenkommen und will gegebenenfalls den Rechtsrahmen anpassen.

Nach der über 30 Jahre alten Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU sind Wölfe europaweit besonders geschützt. Ihr Bestand hat jedoch seitdem in vielen Regionen rasant zugenommen. Eine Bejagung ist jedoch weiterhin nur in Einzelfällen zugelassen. Somit erleiden immer mehr Weidetierhalter teils empfindliche Schäden in ihrem Bestand. Auch die Kommissionspräsidentin selbst musste den Verlust ihres Ponys „Dolly“ durch einen Wolf beklagen. Doch „GW950m“ durfte trotz Abschussgenehmigung weiter leben, obwohl er auch zahlreiche andere Tiere in der Region gerissen hatte; Richter hatten einer entsprechenden Klage von Wolfsschützern stattgegeben.

Wühlt das Thema Wolf viele Tierhalter auf, schaut die deutsche Industrie ebenfalls interessiert auf das Treffen in Brüssel. Im Streit um einen Industriestrompreis sieht der Entwurf einer am Donnerstag zum Abschluss des Treffens verabschiedeten „Brüsseler Erklärung“ eine starke Unterstützung dieses Vorhabens durch die Länderregierungschefs vor. Danach soll die EU-Kommission künftig den Mitgliedstaaten ermöglichen, einen „wettbewerbsfähigen Brückenstrompreis vor allem für energieintensive und im internationalen Wettbewerb stehende Unternehmen“ einzuführen. Dies soll so lange möglich sein, bis bezahlbare Energien in hinreichendem Umfang zur Verfügung stehen.

Die Regierungschefs der deutschen Industrieregionen sorgen sich darum, dass die gestiegenen Energiekosten die Erholung der Konjunktur hemmen. Zweifel melden die Ministerpräsidenten auch bei den ehrgeizigen Klimaschutzzielen der EU an. Sie unterstützen sie zwar generell und nachdrücklich. Die dafür vorgesehenen Maßnahmen des „Green Deal“ müssten jedoch realistisch und in der Praxis umsetzbar sein. Zuletzt hatte es hier auf europäischer Ebene ein heftiges Tauziehen zwischen Mitte-Rechts- und Mitte-Links-Parteien um die Renaturierung gegeben.

Die Ministerpräsidenten erwischen die EU-Kommission in einer noch ungeklärten personellen Aufstellung. Sie hatten vor Monaten bereits eine Gesprächszusage vom langjährigen „Green-Deal“-Verantwortlichen Frans Timmermans zu einem Meinungsaustausch erhalten. Inzwischen ist der sozialdemokratische Niederländer jedoch zurückgetreten, weil er in seinem Heimatland Regierungschef werden will. So treffen die Gäste aus Deutschland mit seinem Nachfolger Maros Sefcovic als exekutiver Vizekommissionspräsident zusammen. Allerdings ist für die Details der neue Klima-Kommissar zuständig. Dafür hat das niederländische Kabinett den bisherigen Außenminister Wopke Hoekstra nominiert. Er muss jedoch die Zustimmung des Parlamentes bekommen, und da haben Grüne, Linke und Sozialdemokraten starke Bedenken, ob der Christdemokrat und ehemalige Shell-Manager der Richtige ist.

Über den Wolf sprechen die Ministerpräsidenten nicht nur am Mittwoch mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einem Kamin-Abendessen, sondern am nächsten Morgen auch mit Umweltkommissar Virginius Sinkevicius. Auch die in Deutschland heiß diskutierte EU-Gebäudeenergie-Richtlinie dürfte hier zur Sprache kommen. Mehrere Kommissare dürften zudem Klagen der Deutschen über schleppende Vergaben und Verfahren zu hören bekommen.

„Leider fällt Europa beim Ausbau der Erneuerbaren Energien global zurück“, klagt der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Europa-Abgeordneten, Markus Pieper. „Wir brauchen schnellere Genehmigungen der Planungen für grenzüberschreitende Strom- und Wasserstoffnetze“, sagte der CDU-Abgeordnete unserer Redaktion im Vorfeld der MPK in Brüssel. Der Netzausbau sei „hoffnungslos unterfinanziert“. Auch bei der europäischen Wasserstoffbank müsse die Kommission die finanzielle Handbremse lösen. Schon bei dem angelaufenen ersten Ausschreibungsverfahren hätte es mehr als jener 800 Millionen Euro bedurft, die die Kommission für grünen Wasserstoff eingeplant hat. Pieper verlangte eine „mehrstellige Milliardensumme“ und brachte eine prägnante Erwartung aus Deutschland mit: „Die industriellen Abnehmer lechzen geradezu nach Importwasserstoff.“

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