Kürzung von EU-Geldern Polen und Ungarn klagen vor dem EuGH gegen EU-Rechtsstaatsklausel

Luxemburg/Warschau · Nach einem Veto von Ungarn und Polen gegen den EU-Haushalt gelang Ende 2020 in letzter Minute ein Kompromiss. Nun klagen die beiden Länder vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die neue Rechtsstaatsklausel.

 Ein Schild mit der Aufschrift „Cour de Justice de l'union Européene“ steht vor den Bürotürmen des Europäischen Gerichtshofs im Europaviertel auf dem Kirchberg (Archivfoto).

Ein Schild mit der Aufschrift „Cour de Justice de l'union Européene“ steht vor den Bürotürmen des Europäischen Gerichtshofs im Europaviertel auf dem Kirchberg (Archivfoto).

Foto: dpa/Arne Immanuel Bänsch

Dies teilte die Regierung in Warschau am Donnerstag mit. Wir können nicht zulassen, dass diese EU-Bestimmung, die schwerwiegend gegen EU-Recht verstößt, in Kraft bleibt“, schrieb die ungarische Justizministerin Judit Varga am Donnerstag auf ihrer Facebook-Seite. Deshalb klage ihr Land zusammen mit Polen gegen die Rechtsstaatsverordnung. Die obersten EU-Richter sollen prüfen, ob der neue Mechanismus zur Kürzung von EU-Geldern bei bestimmten Rechtsstaatsverstößen zulässig ist. Die Machtprobe Ungarns und Polens mit der EU geht damit in die nächste Runde.

Die beiden Länder lehnen den neuen Rechtsstaatsmechanismus im mehrjährigen EU-Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 ab. Sie befürchten, dass der Mechanismus darauf abzielt, ihnen wegen umstrittener politischer Projekte EU-Mittel zu kürzen. Beide Länder bekommen netto hohe Milliardenbeträge aus dem EU-Haushalt. Gegen beide läuft zugleich ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge wegen mutmaßlicher Missachtung von EU-Grundwerten.

Warschau und Budapest hatten wegen des Streits Ende 2020 zeitweise den neuen EU-Haushaltsrahmen inklusive der geplanten Corona-Hilfen mit einem Gesamtvolumen von 1,8 Billionen Euro blockiert. Als Kompromiss handelte Deutschland - damals im Ratsvorsitz - eine Zusatzerklärung zum Rechtsstaatsmechanismus aus, die letztlich alle 27 EU-Staaten akzeptierten. Zentraler Punkt war die Klarstellung, den Mechanismus vom EuGH überprüfen zu lassen. Ungarn und Polen hatten bereits angekündigt, davon Gebrauch zu machen.

Man gehe davon aus, dass diese Lösung keine rechtliche Grundlage in den EU-Verträgen habe, sagte Regierungssprecher Piotr Müller. Sie beeinträchtige die Kompetenzen der EU-Staaten und verstieße gegen EU-Recht.

Ob die Klage Polens die Rechtsstaatsklausel schwächt, verzögert oder gar zunichtemacht, wurde nach dem Kompromiss Ende 2020 unterschiedlich bewertet. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sah die Wirkung nicht eingeschränkt. „Es geht kein einziger Fall verloren“, sagte sie damals. Die EU-Kommission werde mögliche Fälle im Rahmen des neuen Mechanismus betrachten. „Wenn ein Bruch der Rechtsstaatlichkeit vorliegt, dann wird dieser Fall aufgenommen.“ Sobald der EuGH geurteilt habe, würden diese Fälle abgearbeitet. Kritiker fürchten aber, dass die Anwendung der Klausel um viele Monate hinausgezögert wird.

Die Zusatzerklärung zum Rechtsstaatsmechanismus erläutert auch, dass die Feststellung eines Rechtsstaatsverstoßes allein nicht ausreicht, um EU-Finanzhilfen zu kürzen. Vielmehr muss erwiesen werden, dass der Verstoß negative Auswirkungen auf die Verwendung von EU-Geld hat. In strittigen Fragen muss sich der Rat der Staats- und Regierungschefs mit dem Thema beschäftigen.

(ahar/dpa)
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