EZB-Präsident am Mittwoch in Berlin Koalition warnt Draghi vor Inflation

Berlin · Der Präsident der Europäischen Zentralbank kommt am Mittwoch in die deutsche Hauptstadt, um sich gegen die anhaltende deutsche Kritik an den geplanten EZB-Staatsanleihekäufen zu wehren. Über 150 Bundestagsabgeordnete haben sich zu der Anhörung Draghis im Reichstag angemeldet.

Führende Koalitionspolitiker in Berlin haben die Europäische Zentralbank (EZB) gewarnt, durch massive neue Staatsanleihekäufe ihr Mandat zu überdehnen und so die Inflationsgefahr im Euro-Raum zu schüren. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte gestern beim Maschinenbau-Gipfel, die EZB sei zwar unabhängig, ihr Mandat aber "strikt begrenzt" auf die Wahrung der Preisstabilität.

"Ich erwarte ein klares Bekenntnis"

Vor dem mit Spannung erwarteten Besuch von EZB-Präsident Mario Draghi heute in Berlin sagte auch Unionsfraktionsvize Michael Meister: "Ich erwarte von Draghi ein klares Bekenntnis zur Geldwertstabilität und eine klare Ablehnung der Staatsfinanzierung durch die EZB."

Der Italiener Draghi hatte Mitte September angekündigt, die EZB werde notfalls unbegrenzt Anleihen von Krisenländern aufkaufen, um die Spekulationen gegen den Euro zu beenden. Die EZB werde allerdings nur Anleihen von Ländern erwerben, die einen Hilfsantrag beim Euro-Rettungsschirm ESM gestellt und sich im Gegenzug zu Strukturreformen verpflichtet hätten. Vor allem in Deutschland wurde der Schritt scharf kritisiert: Nicht nur Bundesbankpräsident Jens Weidmann sieht darin eine gefährliche Nähe zur Staatsfinanzierung mit der Notenpresse, die mittelfristig für Inflation sorgen wird.

SPD spricht von Scheinheiligkeit

Draghi will seine Politik heute vor dem Haushalts-, Finanz- und Europa-Ausschuss des Bundestags verteidigen. Zu der nicht-öffentlichen Anhörung unter Leitung von Bundestagspräsident Norbert Lammert hatten sich gestern bereits mehr als 150 Abgeordnete angemeldet.

Der Haushaltssprecher der Union, Norbert Barthle, betonte, für die EZB sei es das "wichtigste Ziel, für Preisstabilität in der Eurozone zu sorgen". Er zeigte aber auch Verständnis für Draghi. "Anleihekäufe können als kurzfristiges Krisenreaktionsinstrument in Ausnahmesituationen sinnvoll sein, wenn die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte gefährdet ist und wenn sie eng mit den Auflagen aus einem ESM-Programm verknüpft sind", sagte Barthle.

"Man darf nicht übersehen, dass das von Draghi angekündigte Programm genauso an Bedingungen geknüpft ist wie andere Stabilisierungsprogramme auch", sagte auch der FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke.

"Sonntagsreden"

Aus SPD-Sicht gibt sich die Koalition scheinheilig. Die Bundesregierung habe zur Lösung der Krise nicht die nötige Kraft und verlasse sich in Wahrheit nun auf die EZB, so SPD-Haushaltssprecher Carsten Schneider. "Die Bundeskanzlerin unterstützt zwar noch in Sonntagsreden den Bundesbank-Präsidenten, zwingt aber durch ihre Untätigkeit Herrn Draghi in die Feuerwehrrolle", sagte Schneider.

Löschen muss die EZB womöglich bald den Brand in Spanien: Die dortige Rezession vertieft sich. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank im dritten Quartal zum Vorquartal um 0,4 Prozent. Das Staatsdefizit dürfte 2012 bei 7,3 Prozent des BIP statt bei der Zielmarke 6,3 liegen.

(mar)
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