Bundesverfassungsgericht Karlsruhe billigt Euro-Rettungsschirm ESM

Karlsruhe · Das Bundesverfassungsgericht hat mehrere Klagen gegen den permanenten Euro-Rettungsschirm ESM abgewiesen. Die Bundesregierung kann sich damit am Euro-Rettungsfonds ESM weiter in vollem Umfang beteiligen.

Der Euro-Rettungsschirm ESM
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Foto: dpa, Boris Roessler

Die Verfassungsklagen gegen die Beteiligung Deutschlands am Euro-Rettungsschirm ESM sind gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht wies am Dienstag die mit rund 37.000 Beschwerdeführern größte Klage seiner Geschichte endgültig ab. Die im Grundgesetz verankerte Haushaltsautonomie des Bundestages bleibe trotz der milliardenschweren Verpflichtungen gewahrt, erklärten die Richter. Es sei sichergestellt, dass über die im Maximalfall zugesagten 190 Milliarden Euro hinaus keine unbegrenzten Zahlungsverpflichtungen begründet würden.

Die Kläger hatten argumentiert, mit dem ESM werde die im Grundgesetz verankerte Budgethoheit des Bundestags untergraben. Zu den Beschwerdeführern gehörte neben dem CSU-Politiker Peter Gauweiler und mehreren Rechtsprofessoren auch der Verein "Mehr Demokratie" um die Ex-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin. Den Verfassungsklagen hatten sich Tausende Bürger angeschlossen.

Die Bundesregierung sieht sich durch das Urteil bestätigt. Der ESM stehe im Einklang mit dem Grundgesetz. "Das stärkt Glaubwürdigkeit und schafft Vertrauen", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Der Vize-Vorsitzende der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, mahnte allerdings, für die Akzeptanz der Bevölkerung sei es wichtig, dass bei den Haftungsrisiken nicht getrickst werde und dass dem Bundestag alle Informationen frühzeitig zur Entscheidung vorgelegt würden. Bundestagspräsident Norbert Lammert erklärte, das Gericht habe erneut die besondere Verantwortung des Parlaments gestärkt.

Eilverfahren machte Weg frei

Das Urteil war erwartet worden, nachdem die Richter im September 2012 im Eilverfahren den Weg für eine Beteiligung Deutschlands am ESM unter Auflagen freigemacht hatten. Damals hatten die Richter erklärt, die Hilfen für Euro-Länder in der Schuldenkrise verstießen nicht gegen das Grundgesetz, solange die deutsche Haftungsobergrenze von 190 Milliarden Euro nicht ohne Zustimmung des Bundestages angehoben werde. Die Regierung musste das durch Zusatzerklärungen sicherstellen.

Die Gefahr einer unbegrenzten Zahlungspflicht sei durch diese Erklärung der ESM-Mitgliedstaaten und der Bundesregierung "in völkerrechtlich verbindlicher Weise" ausgeschlossen, erklärte das Gericht.
Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle machte aber auch klar, dass der Weg aus der Schuldenkrise demokratisch rückgebunden und verfassungsrechtlich gangbar sein müsse. Dem Bundestag machten die Richter klare Vorgaben, wie er seine Haushaltsautonomie zu wahren hat. Voßkuhle sagte: "Je größer das finanzielle Ausmaß von Haftungsübernahmen ist, um so wirksamer müssen Zustimmungs- und Ablehnungsrechte sowie Kontrollbefugnisse des Bundestages ausgestaltet werden." Die Volksvertreter dürften sich keinen Mechanismen ausliefern, die zu nicht überschaubaren finanziellen Lasten ohne vorherige Zustimmung des Bundestag führen könnten.

Kein Eigenkapital nötig

Deutschland hatte nach der Eilentscheidung vom September 2012 als letztes Euro-Land den ESM ratifiziert, der mit bis zu 500 Milliarden Euro klamme Euro-Länder stützen können soll. Dafür müssen die Euro-Staaten dem ESM 700 Milliarden Euro Stammkapital bereitstellen, aufgeteilt in 80 Milliarden Euro eingezahltes Kapital und 620 Milliarden Euro abrufbares Kapital. Auf Deutschland entfallen 27,15 Prozent. Bisher sind vom ESM 50 Milliarden Euro Kredite an Spanien und Zypern vergeben worden.
Die Richter forderten, die Regierung müsse sicherstellen, dass Deutschland etwaige Kapitalabrufe fristgerecht erfüllen könne, damit es nicht zu einem Stimmrechtsentzug im ESM kommt.

Absehbare Zahlungspflichten müssten bei der Haushaltsaufstellung berücksichtigt werden. Allerdings verlangte das Gericht nicht, schon jetzt für die gesamten 168 Milliarden Euro Vorsorge zu tragen. Ein Abruf auf einen Schlag sei nicht zu erwarten.

Die im Baseler Ausschuss zusammengeschlossenen weltweiten Bankenaufseher teilten nach dem Urteil mit, dass Banken Anleihen des ESM und seines Vorgängers EFSF als risikofrei in ihrer Bilanz behandeln dürfen. Sie müssen damit also kein Eigenkapital für den eventuellen Zahlungsausfall der Papieren vorhalten.

In Karlsruhe sind seit Herbst 2012 auch noch Beschwerden über die Euro-Rettungspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) anhängig. Die Kläger beanstanden, für den Staat ergäben sich daraus unbegrenzte Finanzrisiken, die das Haushaltsrecht des Bundestages verletzten. Zudem überschreite die Notenbank ihren auf Geldpolitik beschränkten Auftrag und betreibe direkte Staatsfinanzierung, was nach EU-Recht verboten ist. Im Februar hatte das Gericht diese europarechtliche Frage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg überwiesen.

(rtr)
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