Flüchtlingspolitik in der EU Großzügiges Schweden, abweisendes Ungarn
Brüssel · Während manche EU-Länder keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, sind andere bereit, noch mehr Plätze zur Verfügung zu stellen. Ein Überblick.

So verteilen sich Flüchtlinge auf Europa
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will den verpflichtenden Verteilungsschlüssel von Flüchtlingen innerhalb der Europäischen Union erneut aufs Tapet bringen. Gelegenheit dazu hat er spätestens im Oktober, wenn die Innenminister der EU-Länder formell über die Vorschläge abstimmen. Viele jüngere EU-Länder wollen keine Asylbewerber aufnehmen, andere wissen nicht, wie sie die Ankommenden unterbringen und betreuen sollen.
Belgien Die 18.400 Plätze, die in Belgien für Asylbewerber zur Verfügung stehen, sind fast belegt. Nun will Migrationsminister Theo Francken auch Militärkasernen nutzen, um 5000 Betten bereitzustellen. Damit greift er zu Mitteln, die er früher verurteilt hatte: Francken forderte wiederholt eine harte Migrationspolitik, wird nun aber selbst von der Realität eingeholt. Viele Belgier unterstützen eine großzügige Flüchtlingspolitik.
Frankreich In der Presse dominieren Bilder aus Calais die Berichterstattung. In der Hafenstadt leben rund 3000 Migranten in einem inoffiziellen Lager. Sie warten auf eine Gelegenheit, durch den Eurotunnel nach Großbritannien zu gelangen. Doch die Situation ist im ganzen Land angespannt: In Paris etwa haben Asylbewerber eine leerstehende Schule besetzt, um ein Dach über dem Kopf zu haben. Frankreich steht bei den Asylgesuchen in der EU an vierter Stelle. Das Parlament hat Mitte Juni das Asylrecht verschärft, um die Verfahren von zwei Jahren auf drei bis neun Monate zu verkürzen.
Griechenland Das von Krisen gebeutelte Land hat im laufenden Jahr schon über 90.000 Asylbewerber empfangen — 2014 waren es nur 9430. Die Zustände im griechischen Asylwesen sind aber so schlecht, dass der Europäische Gerichtshof EU-Ländern die Überweisung von Asylbewerbern nach Griechenland untersagt hat. Die Ankommenden hausen teilweise in Lagern ohne Toiletten und medizinische Hilfe.
Großbritannien Auf der Insel ist die Zahl der Asylgesuche in den ersten Monaten des Jahres kaum gestiegen, und Großbritannien nimmt deutlich weniger Asylbewerber auf als die meisten EU-Länder. Politisch ist das Thema brisant — besonders wegen der Versuche von Migranten, durch den Eurotunnel zu gelangen, wobei immer wieder einige von ihnen ihr Leben lassen. Zusammen mit Frankreich hat Großbritannien nun den Zaun um das Tunnelgelände verstärken lassen. Die EU-Kommission unterstützt beide Länder mit 50 Millionen Euro.
Italien Geschätzt 97.000 Bootflüchtlinge haben Italien in diesem Jahr erreicht. Zwei Drittel werden demnach Richtung Norden weiterreisen. Der größte Teil der Ankommenden wird in temporären Lagern untergebracht. Die nationalen Zentren sind überfüllt. Einige Regionen weigern sich, weitere Asylbewerber aufzunehmen. Innenminister Angelino Alfano will in den Gemeinden 10.000 weitere Plätze schaffen und die mindestens ein Jahr dauernden Asylverfahren verkürzen. Andere EU-Länder bemängeln, Italien registriere nicht alle Ankommenden korrekt mit Fingerabdrücken.
Österreich Im Alpenland sind bis Ende Juni mit knapp 30.000 fast dreimal mehr Asylanträge eingegangen als im Vorjahreszeitraum Die Aufnahmezentren sind so überfüllt, dass Hunderte im Freien schlafen und Hygiene sowie medizinische Versorgung von Prüfern als mangelhaft beschrieben wurden. Bund, Ländern und Gemeinden verlieren sich zudem in einem Kompetenzstreit über die Schaffung neuer Plätze.
Schweden Das skandinavische Land empfängt pro Kopf mit Abstand am meisten Asylbewerber in Europa, knapp dreimal mehr als Deutschland und viermal mehr als die Schweiz. Laut offiziellen Angaben nimmt es derzeit 1000 bis 1200 Personen pro Woche auf. Kritiker des schwedischen Systems bemängeln aber, dass die Ankommenden zwar in den Sozialstaat aufgenommen, jedoch kaum integriert werden.
Ungarn Das Land ist zur Hauptanlaufstelle für Asylbewerber in der EU geworden. Rund 100.000 Personen haben Ungarn an der Route von Griechenland über den Balkan nach West- und Nordeuropa erreicht. Darunter sind Zehntausende Kosovaren. Um die Asylbewerber fernzuhalten, baut Ungarn an der Grenze zu Serbien einen vier Meter hohen und 175 Kilometer langen Zaun.