Griechenland fordert 278,7 Milliarden Euro an Reparationen Schuld und Schulden

Meinung · Es war einmal ein kleines, sonniges Land, das einer der unbeschwertesten Plätze auf der Welt hätte sein können, wenn es nicht diesen riesigen Schuldenberg gegeben hätte, der immer längere Schatten darauf warf. Alle Anstrengungen, auch nur ein wenig davon abzutragen, fruchteten nichts. Die Zahlen blieben tiefrot. In der Not kam der Regierung eine Idee: Vor langer Zeit hatte doch ein viel größeres Land das kleine Land überfallen, Tod und Zerstörung gebracht, Geld erpresst.

 In dem Ort Kalavryta wurde im Dezember 1943 das größte Massaker durch die deutschen Besatzer vrübt. 500 männliche Personen über 14 Jahren wurden dabei erschossen.

In dem Ort Kalavryta wurde im Dezember 1943 das größte Massaker durch die deutschen Besatzer vrübt. 500 männliche Personen über 14 Jahren wurden dabei erschossen.

Foto: ap

Würde man den entstandenen Schaden nach aktuellen Maßstäben in Euro und Cent umrechnen, käme eine hübsche Summe zustande. Ja, sie würde ausreichen, den riesigen Schuldenberg nahezu dem Erdboden gleich zu machen. Und so kam es. Die alte Schuld wurde in nagelneuen Euros beglichen, und alle lebten glücklich bis an ihr Ende. Diese Geschichte ist ein Märchen. Und sie wird eins bleiben.

Weil es Rechnungen gibt, die so nicht aufgehen. Weil man Schuld und Schulden nicht einfach in einen Topf werfen sollte, wie das die griechische Regierung gerade macht. Auf 278,7 Milliarden Euro hat Athens Finanzminister Dimitris Mardas die Forderungen seines Staates für erlittene Schäden durch Nazi-Deutschland beziffert. Es ist wahr: Hitlers Schergen haben den Griechen unsägliche Gewalt und großes Unrecht zugefügt. Aber lässt sich das bis auf die Stelle hinter dem Komma bewerten? Und warum taucht diese konkrete Zahl erst jetzt, im Zuge der Debatte über eine Lösung des griechischen Schuldenproblems auf?

Die aktuellen Schwierigkeiten Griechenlands haben in Wirklichkeit wenig mit dem zu tun, was vor über 70 Jahren geschah. Vielmehr führte ein aufgeblähter Staatsapparat, der freilich darauf verzichtete (und es bis heute nicht vermochte), für gerecht verteilte Steuereinnahmen zu sorgen, die Griechen in die drohende Insolvenz. Für die Betroffenen ist das keine sehr angenehme Erkenntnis. Aber der Versuch, die Schuld dafür bei anderen zu suchen, ändert an der Wahrheit nichts.

Wenn Athen tatsächlich ein schwerwiegendes Problem mit angeblich nicht ausreichenden deutschen Reparationsleistungen haben sollte, dann wird darüber zu reden sein — abseits des aktuellen Schuldenthemas. So wie es Partner machen, die langfristig an guten Beziehungen interessiert sind. Erfahrungsgemäß kommt dabei kein Happy End für beide Seiten heraus. Aber vielleicht ein Kompromiss. Schon jetzt ist klar, dass es nicht um 278,7 Milliarden Euro gehen kann. Wer daran glaubt, glaubt an Märchen.

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