Sondergipfel zu Griechenland Schicksalstag für Europa

Brüssel/Athen · Europa kämpft um Griechenland und den Euro: Mit einem doppelten diplomatischen Kraftakt soll der Schuldenstreit am heutigen Montag aus der Sackgasse geführt werden. Am Mittag treffen sich in Brüssel die Finanzminister der Eurozone; später folgen die Staats- und Regierungschefs. Athen präsentiert in letzter Minute neue Lösungsvorschläge.

Worterklärungen in Griechenlands Schuldenkrise
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Foto: dapd, Michael Gottschalk

Ohne einen Durchbruch bei den festgefahrenen Verhandlungen droht Griechenland die Staatspleite, was schwerwiegende Konsequenzen nicht nur für das kleine Land, sondern auch für den ganzen Euroraum nach sich ziehen würde. Vor dem Sondergipfel der Euro-Staaten liefen deshalb hinter den Kulissen am Sonntag die Gespräche auf Hochtouren. Aus Athen hieß es, Ministerpräsident Alexis Tsipras habe "neue Vorschläge" vorgelegt.

Tsipras telefonierte dazu mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem französischen Präsidenten François Hollande sowie mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Wie ein griechischer Regierungssprecher erläuterte, habe Tsipras Vorschläge zu den von den Gläubigern geforderten Sparmaßnahmen präsentiert, damit es eine "endgültige Lösung zugunsten aller Seiten" gebe und das Problem nicht verschoben werde. Vonseiten der EU konnte der Eingang neuer Vorschläge aus Athen nicht bestätigt werden.

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Foto: dpa, Frank Rumpenhorst

Griechenlands Finanzminister Giannis Varoufakis wies Merkel den Schlüssel über Erfolg und Misserfolg des Treffens zu: "Die deutsche Kanzlerin steht vor einer entscheidenden Wahl", schrieb er in einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung". Entweder sie trete in eine "ehrenvolle Einigung" mit seiner Regierung ein. Oder sie folge Stimmen aus ihrer Regierung, die sie ermutigten, die einzige griechische Regierung über Bord zu werfen, die das griechische Volk auf den Reformpfad mitnehmen könne. "Diese Wahl, fürchte ich sehr, muss sie treffen."

Für EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) hingegen liegt es an Griechenland, jetzt Wege aus der Krise zu weisen: "Alexis Tsipras trägt vor allem Verantwortung für das gesamte griechische Volk. Das darf er beim Sondergipfel in Brüssel nicht vergessen", sagte Schulz unserer Redaktion. "Bisher haben die Aussagen Athens, es gebe weitreichende Angebote der griechischen Regierung, nicht zugetroffen. Unsere Angebote hingegen liegen auf dem Tisch. Und die sind wirklich weitreichend."

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Optimistisch äußerte sich der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi zu einer möglichen Einigung mit Griechenland: "Meiner Ansicht nach gibt es dazu alle Voraussetzungen", sagte er am Sonntag bei einem Treffen mit Hollande auf der Expo in Mailand. Man dürfe sich diese Möglichkeit nicht entgehen lassen. Hollande betonte, man habe nun keine Sekunde mehr zu verlieren. Ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone sei für niemanden eine positive Situation. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mahnte die Griechen: "Wo in Europa Reformen nicht nur beschlossen, sondern auch umgesetzt worden sind, hat unsere Stabilisierungspolitik in den letzten Jahren funktioniert."

Der Druck auf die Politik steigt auch, weil immer mehr Griechen ihr Geld von den Banken abheben. Für den heutigen Montag wird ein weiterer Ansturm auf die Geldinstitute befürchtet. Die Europäische Zentralbank ist sich Insidern zufolge deshalb nicht mehr sicher, ob die Geldhäuser noch öffnen können.

Alexis Tsipras - selbsternannter Retter Griechenlands
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Das ist Alexis Tsipras

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Foto: dpa, sp ase tba

Unterdessen legten EU-Top-Verantwortliche am Sonntag einen Zwei-Stufenplan für die Vertiefung der Eurozone vor. Autoren sind Juncker, Mario Draghi (Europäische Zentralbank), Donald Tusk (EU-Ministerrat), Jeroen Dijsselbloem (Eurogruppe) und Schulz. Die erste Phase läuft laut Papier, das der Deutschen Presse Agentur vorliegt, bis Sommer 2017. Stufe zwei umfasst den Zeitraum von 2017 bis 2025, indem Änderungen der EU-Verträge nötig seien. Der Bericht bringt für die zweite Phase unter anderem ein gemeinsames Finanzministerium für die Eurozone ins Spiel. Wer dieses Amt führen soll, bleibt offen.

(RP)
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