Hans-Peter Burghof "Die Gefahr eines Grexits besteht weiter"

Hohenheim · Professor Hans-Peter Burghof ist der deutsche Banken-Experte, hat einen Lehrstuhl an der Universität Hohenheim. Er hat den Deutschen die Finanzkrise 2007 erklärt. Nun haben wir ihn zu den Folgen der Einigung zwischen Euro-Gruppe und Griechenland befragt.

 Quo vadis, Hellas?

Quo vadis, Hellas?

Foto: dpa

Am Freitag haben Griechenland und Euro-Gruppe eine Einigung erzielt. Wer ist Gewinner des Kompromisses?

Burghof Das lässt sich noch nicht sagen, auch wenn die Euro-Gruppe es so darstellt, als hätte sie sich durchgesetzt. Schon am Montag, wenn die Griechen konkrete Reformschritte benennen müssen, wird sich zeigen, wie ernst sie es mit ihren Reform-Zusagen meinen.

Ist die Gefahr des Grexits, des Austritts Griechenlands aus dem Euro, nun gebannt?

Burghof Keineswegs. Das Risiko, das Griechenland am Ende aus dem Euro ausritt, besteht weiter. Die Euro-Gruppe hat Griechenland Hilfen bis Juni zugesagt. In vier Monaten geht das ganze Spiel von vorne los, ohne dass sich die Lage in Griechenland grundlegend verbessert haben wird.

Manche Ökonomen fordern einen Grexit, um Griechenland einen Neustart zu ermöglichen. Was sagen Sie?

Burghof Ob ein Grexit hilft, hängt von seiner Organisation ab. Wenn der Grexit planvoll erfolgt und mit einem Schuldenschnitt verbunden wird, kann er eine Chance für Griechenland bedeuten. Eine eigene, abgewertete Währung würde die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft verbessern. Bei einem ungeplanten Staatsbankrott, einem Grexit aus Versehen würde das Land dagegen ins Chaos stürzen.

Was würde ein Grexit für Europa bedeuten?

Burghof Ein Grexit würde die europäische Ideen schwächen. Wirtschaftlich wäre er aber zu verkraften, wenn er planvoll erfolgt. Griechenland hat nur eine geringe wirtschaftliche Bedeutung. Da Europas Banken kaum noch griechische Anleihen haben, würde auch keine europaweite Ansteckung über diese Investoren erfolgen. Ein Dominoeffekt auf andere Länder wie Spanien oder Italien ist nicht zu befürchten. Das war vor fünf Jahren anders.

Was bedeutet der Kompromiss von Freitag für den deutschen Sparer und Steuerzahler?

Burghof Für die Sparer hat die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) Bedeutung, nicht aber das Schicksal Griechenlands. Dies ist jedoch für den deutschen Steuerzahler relevant. Er steht am Ende für die Hilfen seines Landes und der EZB gerade. Ehrlicherweise müsste die Bundesregierung eingestehen, dass der deutsche Steuerzahler nicht alles Geld wiedersehen wird.

Um wie viel Geld geht es für den deutschen Steuerzahler?

Burghof Die deutschen Steuerzahler drohen am Ende zwischen 50 und 100 Milliarden Euro zu verlieren. Allein die auf Jahrzehnte gestundeten Zinszahlungen bedeuten Verluste. Zudem erwarte ich nicht, dass Griechenland jemals seine Schulden zurückzahlen wird.

Wäre ein Schuldenschnitt der öffentlichen Gläubiger für Griechenland sinnvoll?

Burghof Ein geplanter Schuldenschnitt wäre die ehrlichere Lösung. Allerdings würde Griechenland im Gegenzug keine Hilfen mehr von den anderen Ländern bekommen. Man leiht niemandem Geld, der es nicht zurückzahlt. Nach dem Schuldenschnitt müsste Athen alleine klar kommen. Vielleicht ist die Tsipras-Regierung auch deshalb von ihrer ursprünglichen Forderung nach einem Schuldenschnitt abgerückt.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort