Daten und Fakten Das ist die Krisenbilanz der Euro-Staaten

Düsseldorf · Die Schuldenkrise hat alle Euro-Länder hart getroffen. Einige schicken sich an, die Schrumpfungsspirale zu durchbrechen. Griechenland dagegen drohen neue Rückschläge. Und die Zeit wird knapp. Eine Krisenbilanz.

Die Kapriolen um die Weigerung der neuen griechischen Regierung, das von den Vorgängern akzeptierte Reformprogramm umzusetzen, haben die Euro-Zone wieder in heftige Turbulenzen gestürzt. Der Euro geht auf Talfahrt, die Zinsen in manchen Krisenländern ziehen an, Griechenland ist vom Kapitalmarkt abgeschnitten. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will sogar einen Austritt Athens aus dem Euro nicht mehr ausschließen. Nur gewagte Finanztransaktionen der Regierung verhindern derzeit, dass Athen seine Verpflichtungen noch erfüllen kann. Das stolze Griechenland hat mit Sicherheit die größten Probleme, nach fünf Jahren Rezession wieder auf Erholungskurs zu kommen.

Um 23 Prozent ging das Bruttoinlandsprodukt (BIP), die Summe aller im Land gefertigten Güter und Dienstleistungen, seit 2008 nach unten, das verfügbare Einkommen der Haushalte sank gar um 30 Prozent. Kein Wunder, dass die Schlangen an den Essensausgaben mildtätiger Organisationen länger werden, dass viele Familien sich sorgen müssen, jeden Tag das Lebensnotwendige zu ergattern. Das Tragische am jetzigen Zustand ist, dass Griechenland vor der Machtübernahme der linkspopulistischen Syriza-Partei auf dem Weg der Besserung war. Die Industrieländerorganisation OECD bescheinigte den Hellenen den größten Reformeifer aller hochverschuldeten Staaten. Die "Financial Times" spricht gar vom "brutalsten Sparprogramm" in der Geschichte des Landes.

Immerhin verlor jeder vierte Staatsbedienstete seit 2009 seinen Job. Der abrupte Regimewechsel der neuen Regierung unter Ministerpräsident Alexis Tsipras scheint dies zu gefährden. Die Wirtschaft gerät ins Stocken; statt Wachstum gab es im vierten Quartal des vergangenen Jahres schon wieder einen Rückgang der Produktion. Und nur wenige Volkswirte glauben, dass die für 2015 angepeilte Wachstumsrate von 2,5 Prozent wirklich erreicht wird. Stattdessen wird das Land von seinen Schulden erdrückt. Es brennt in Griechenlands Wirtschaft, und Rettung ist nicht in Sicht.

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Foto: dapd, Michael Probst

Irland und Portugal nicht mehr auf Geldspritzen angewiesen

Doch das niederschmetternde Bild aus dem Südosten findet sich andernorts in der Euro-Zone nicht. Irland und Portugal, die beide die Hilfe des europäischen Rettungsfonds EFSF in Anspruch nehmen mussten, sind auf die Geldspritzen nicht mehr angewiesen. Die Wirtschaft der Grünen Insel wächst derzeit mit drei bis vier Prozent im Jahresschnitt so kräftig, dass die Iren selbst ihre Notkredite vom Internationalen Währungsfonds vorzeitig zurückzahlen können.

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Foto: dpa, dan cul vfd

Das Investitionsklima ist nach den Kategorien der Weltbank günstiger als in Deutschland, die Bautätigkeit zieht an. Die Arbeitslosigkeit ist im Januar 2015 erstmals wieder unter zehn Prozent gesunken. Auch Portugal befindet sich auf klarem Erholungskurs. Das Land hat die Rezession 2013 überwunden, derzeit wächst die Wirtschaft mit 1,3 Prozent zwar bescheiden, aber stetig. Die OECD bescheinigte dem Land den drittgrößten Reformeifer nach Griechenland und Irland. Seit sich Tsipras vom Pfad der Tugend entfernt, marschiert Portugal gar an der Spitze der Reformländer. Selbst Spanien, das neben Griechenland am meisten von Protesten heimgesucht wurde, geht es besser. Die konservative Regierung unter Premierminister Mariano Rajoy hat den Kündigungsschutz gelockert, Beamtengehälter eingefroren, Tarifverträge ausgesetzt und private Arbeitsvermittler zugelassen.

Die ersten Früchte der harschen Agenda zeigen sich bereits: Um bis zu drei Prozent soll die Wirtschaft 2015 wachsen; die Arbeitslosigkeit sank im Januar um drei Prozentpunkte auf nach wie vor hohe 23 Prozent. Dafür ist die Jugendarbeitslosigkeit mit über 50 Prozent die höchste in der Euro-Zone. Von dort droht auch Ungemach. Denn die neue Protestbewegung "Podemos" ("Wir können es"), ein Bündnis vergleichbar mit Syriza, ist auf dem Vormarsch. Nur ein Wunder kann Rajoy noch vor der Abwahl am Ende dieses Jahres retten. Was danach kommt, ist ungewiss.

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Foto: dpa

Frankreich und Italien beginnen nur zaghaft Reformpolitik

Spanien hängt deshalb wie die großen Sorgenländer Frankreich und Italien vor allem an der gesamteuropäischen Konjunktur. Die beiden größten Euro-Länder nach Deutschland beginnen nur zaghaft eine Reformpolitik. Während Italien mit Not die vom Europäischen Vertrag über die Währungsunion vorgegebenen Verschuldungsgrenzen einhält, liegt Frankreich noch bis 2016 über den erlaubten Werten.

Kommission und Euro-Länder drücken beide Augen zu, um Frankreich die längere Anpassungszeit zu gewähren. Das wirkt ungerecht gegenüber den hochverschuldeten Ländern des Südens, die mit einem Crash-Programm die marode Haushaltslage zu überwinden versuchten. Weil die Erholung so lange auf sich warten lässt, werden die Bürger unruhig. Ihr Vertrauen in die Gesundungsmaßnahmen lässt nach. Hinzu kommt im Falle Italiens der drohende Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie — zu lange hat das Land nicht mehr in moderne Fertigungsanlagen und technischen Fortschritt investiert.

Nach der Finanz- und Schuldenkrise, die 2008 ihren Anfang nahm, sind alle Euro-Länder in ein tiefes Loch gefallen. Deutschland hat die Krise am besten überwunden, auch wenn die Wirtschaft in den vergangenen Jahren nur noch schwach gewachsen ist. Die anderen Länder, vor allem die hochverschuldeten, konnten sich dagegen aus der Negativspirale von Senkung der Löhne und Staatsausgaben, Abbau der hohen Verschuldung von Unternehmen, Banken und öffentlicher Hand und der damit einhergehenden Schrumpfung der Einkommen schwer befreien.

Auch der niedrige Ölpreis hilft bei Erholung

Der Funken neuer Wachstumschancen etwa durch die Revolution der Internetwirtschaft oder der Globalisierung ist in diesen Ländern noch nicht übergesprungen. Die Voraussetzungen dafür haben Irland, Portugal und Spanien geschaffen. Italien und Frankreich tun sich schwer, Deutschland muss auf der Hut sein, und Griechenland droht wieder in der Rezession zu versinken, wenn Tsipras das Ruder nicht herumwirft.

Denn die Zeit wird knapp. Noch tragen das gigantische, 1000 Milliarden Euro schwere Aufkaufprogramm der Europäischen Zentralbank, der günstige Euro-Kurs und der niedrige Ölpreis zur derzeitigen Erholung bei, wie der Ökonom der Privatbank Berenberg, Christian Schulz, treffend anmerkt. Andere Experten sprechen dagegen von der dreifachen Droge, mit der Europa ein Wohlfühlklima erzeugen will. Am Ende helfen nur die stetigen Bemühungen, Unternehmens- und Staatsbilanzen weiter zu konsolidieren. Nur dann wird das Wachstum nach Ansicht der meisten Experten nachhaltig sein.

(kes)
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