Warum ich mit "Oxi" gestimmt hätte Das "Nein" fühlt sich an wie ein "Ja"

Meinung | Düsseldorf · Das griechische Volk hat beim Referendum mehrheitlich mit "Nein" gestimmt – also gegen die Gläubiger-Vorschläge. Auch unser Autor hätte so gestimmt, wäre er vor Ort gewesen. Warum, erklärt er in diesem Beitrag.

 Unser Autor Vassilios Katsogridakis hätte mit "Nein" bei dem griechischen Referendum gestimmt.

Unser Autor Vassilios Katsogridakis hätte mit "Nein" bei dem griechischen Referendum gestimmt.

Foto: Harry Schaack

Das griechische Volk hat beim Referendum mehrheitlich mit "Nein" gestimmt — also gegen die Gläubiger-Vorschläge. Auch unser Autor hätte so gestimmt, wäre er vor Ort gewesen. Warum, erklärt er in diesem Beitrag.

Oft wurde ich in den letzten Tagen gefragt: "Wofür würdest du stimmen, wenn du am Sonntag in Griechenland wärst: Ja oder Nein?" Wenn am Sonntag mein Wahllokal nicht über 2000 Kilometer entfernt gewesen wäre, dann hätte ich auf jeden Fall abgestimmt und mein Kreuz bei "Oxi", also "Nein" gemacht.

Einem "Nein" zu Reformen, die in den vergangenen fünf Jahren Griechenland nicht vor dem Ruin bewahrt haben, sondern einen Großteil der Griechen vor eine ungewisse und ruinöse Zukunft gestellt haben. Zahllose Statistiken zeigen den negativen Verlauf der Wirtschaft Griechenlands, die hohen Arbeitslosenzahlen, die gesunkene Lebenserwartung und mehr.

Wenn die seit Beginn der Krise ergriffenen Maßnahmen nicht wirken, dann sind es womöglich die falschen Maßnahmen. Verträge hin oder her. Was am Ende zählt, sind die Menschen. Und denen ist es egal, ob Griechenland mit 100 oder 400 Milliarden verschuldet ist. Es muss eine Lösung gefunden werden, die sozial verträglich ist — vor allem für die Menschen, die nicht zu den "oberen Zehntausend" gehören.

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Ich kann aber auch die Griechen verstehen, die mit "Nai", also "Ja" gestimmt haben. Die, mit denen ich mich unterhalten habe, haben ihr "Ja" nicht als "Ja" für strenge Reformen verstanden, sondern als ein "Ja" für Europa. Zudem spielte auch die Angst vor einer ungewissen Zukunft — ohne Hilfszahlungen — eine wichtige Rolle. "Wir wollen zeigen, dass wir an Europa glauben" — so der Tenor der "Ja"-Stimmen aus meinem Verwandten- und Bekanntenkreis.

Auch ich glaube an Europa. Wenn Griechenland aus der Eurozone fliegt, dann wäre es für einige Griechen bestimmt ein Vorteil. Vor allem für diejenigen, die ihr Geld auf ausländischen Euro-Konten haben oder ihre Rente aus Deutschland beziehen. Für sie wäre mit einer schwachen griechischen Währung vieles günstiger. Auch der Tourismus würde wahrscheinlich von günstigeren Preisen profitieren. Die Exporte könnten wieder ansteigen, da griechische Produkte wie Wein, Oliven, Feta oder Öl günstiger werden würden als ähnliche Waren aus Spanien, Frankreich, Italien oder Portugal — sofern diese Länder im Euro bleiben.

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Diese Vorstellung erinnert mich immer wieder an die Achtzigerjahre, als gefühlt alles besser war. Ohne Globalisierung, ohne ein massentaugliches Internet. Der Fortschritt und veränderte Lebensumstände lassen aber die Zustände von vor 30 Jahren nicht mehr zu, und der Effekt, den eine Wiedereinführung der Drachme hätte, wäre wohl schnell wieder verflogen — zumindest so lange es den Euro weiterhin gibt und nicht alle Staaten wieder eine eigene nationale Währung einführen.

Die neue Regierung hat dem griechischen Volk Hoffnung gegeben, genau wie das Referendum. Die Hoffnung, dass es doch noch Politiker gibt, die auf ihre Wähler hören und nicht nur leere Wahlversprechen machen. Dass es tatsächlich noch Politiker gibt, denen es um die Menschen geht und nicht um Verträge, die um jeden Preis erfüllt werden müssen. Dieses "Nein" ist daher für mich ein "Ja". Ein "Ja" für die Hoffnung, für "Veränderung" und für Europa. Ein Schritt in eine neue Zukunft.

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