Digitalisierte Nachweise Gelber Impfpass wird zur App

Exklusiv | Brüssel · Milliarden Covid-Impfzertifikate haben als Nachweise ihre Gültigkeit verloren. Doch hinter den Kulissen wird an einem noch größeren Nachfolgeprojekt gearbeitet: Das gelbe Impfbuch der Weltgesundheitsorganisation soll digitalisiert werden.

Der traditionelle Impfpass soll an die Stelle der ausgelaufenen Corona-Zertifikate-App treten - dann auch in digitalisierter Form.

Der traditionelle Impfpass soll an die Stelle der ausgelaufenen Corona-Zertifikate-App treten - dann auch in digitalisierter Form.

Foto: dpa/Stefan Puchner

Im Mai hatte sich der deutsche Arzt und CDU-Europa-Abgeordnete Peter Liese an die EU-Kommission mit einem Brandbrief gewandt. Er warnte davor, dass zum 30. Juni sämtliche EU-Covid-Zertifikate ihre Gültigkeit verlieren und die Plattform, die nach den Lockdowns Reisen, Einkaufen und Restaurantbesuche wieder möglich gemacht hatte, bei einer neuen schweren Welle erst wieder von Grund auf beschlossen, entwickelt und ans Laufen gebracht werden müsse. Nun liegt unserer Redaktion die Antwort von Justiz-Kommissar Didier Reynders und Gesundheits-Kommissarin Stella Kyriakides vor. Und sie enthält ein überraschendes Detail. Denn es bedeutet: Das digitale EU-Corona-Zertifikat ist zwar Geschichte, aber mit dem wesentlich umfangreicheren digitalisierten gelben Impfbuch wird ein neues Kapitel der Pandemiebekämpfung weltweit geschrieben.

Selbst Gesundheitsexperten kannten zwar das Digitalisierungsprojekt der Weltgesundheitsorganisation (WHO), das immer mehr Staaten vernetzen und den Menschen einen schnelleren, effektiveren und einfacheren Zugang zu Gesundheitsdiensten geben soll. Die EU-Kommissare weisen nun jedoch auf eine ganz besondere Entwicklung hin: „Dieses System wird nicht nur auf Covid-19 oder eine andere einzelne Krankheit beschränkt sein, vielmehr wird es schrittweise erweitert, wenn wir das gelbe Impfbuch der WHO digitalisieren“, schreiben Reynders und Kyriakides in ihrem Brief.

Ohne die Erfahrungen der EU mit ihren digitalen Covid-Zertifikaten wären auch die WHO-Digitalisierungspläne nicht so schnell vorangekommen, und sie hätten offenbar auch andere geringere Hürden für den Umgang mit den gespeicherten Daten enthalten. Nun würden die von der EU gesetzten „Standards und Werte, einschließlich des Datenschutzes, auf globaler Ebene auf diese Weise umgesetzt“, berichten die EU-Kommissare. Die WHO betont auf der anderen Seite die Bedeutung der Partnerschaft mit der EU, weil sie damit ein in der Pandemie bewährtes Zertifizierungssystem übernehmen könne.

„Die Vorbereitungen sind weit fortgeschritten, und immer mehr Länder migrieren in das neue System, damit Zertifizierungsschlüssel sicher ausgetauscht werden können“, berichten die Kommissare. Somit sei für die EU-Mitglieder eine Lösung gefunden, die dem erfolgreichen System ein Weiterleben sichere und bei Bedarf auch eine zukünftige Nutzung ermögliche. Die Partnerschaft mit der WHO bezeichnen Reynders und Kyriakides deshalb als „bahnbrechend“.

Auch Liese ist mit der Entwicklung hinter den Kulissen sehr zufrieden: „Es ist sehr gut, dass die WHO das gelbe Impfheft auf der Basis des EU-Covid-Zertifikates digitalisieren möchte“, sagte der CDU-Gesundheitsexperte unserer Redaktion. Damit setze die EU den Standard für die ganze Welt. Er erwarte im übrigen im kommenden Winter „keine gravierenden Probleme“ durch die neuen Corona-Mutationen. „Omikron bleibt Omikron, und wir sollten uns nicht verrückt machen“, fügte er hinzu. Außer der Impfung von Risikopersonen seien aus seiner Sicht keine Maßnahmen erforderlich. Allerdings sei eine neue Pandemie theoretisch jederzeit möglich - sei es durch eine schwerwiegende Mutation beim Coronavirus oder durch irgendein neues Virus, was er für wahrscheinlicher halte.

Auf dem Höhepunkt der Pandemie hatten die meisten EU-Länder Reisebeschränkungen erlassen, Einkaufsmöglichkeiten reduziert und zeitweise auch die Gastronomie schließen lassen. Schrittweise wurden die Möglichkeiten für solche Personengruppen wieder geschaffen, die ausreichenden Impfschutz oder eine Genesung von einer Infektion nachweisen konnten. Zur einfacheren und einheitlichen Dokumentation hatte die EU die digitale Corona-App entwickelt. Nach aktuellen EU-Angaben waren in das System über 2,2 Milliarden Zertifikate eingepflegt worden. Außer den 27 EU-Staaten hatten sich auch 51 weitere Länder außerhalb der Europäischen Union angeschlossen. Schon dadurch kam der enorme Bedarf für die Entwicklung eines weltweit einheitlichen Systems zum Ausdruck.

Zwar gibt es bereits digitale Impfbücher von Privatanbietern. Sie dienen aber vor allem der Übersicht der eigenen Gesundheitsdaten für den jeweiligen Nutzer. Eine amtliche Gelbe-Impfbuch-App könnte dagegen weltweit anerkannt sein und mit einfach zu scannenden Codes Reisenden die jeweils erforderlichen Nachweise erleichtern - etwa für Impfungen gegen Polio oder Gelbfieber. Zur Frage, wann sie für den Nutzer zur Verfügung stehen soll, liegen noch keine belastbaren Angaben vor. Die Kommission empfiehlt jedenfalls den EU-Staaten, sich möglichst bald dem neuen System anzuschließen. Sie will zu diesem Zweck übergangsweise auch eine technische Verbindung zwischen EU- und WHO-Systemen ermöglichen.

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