Flüchtlinge Zusammenarbeit zwischen EU und Türkei steht auf dem Spiel

Meinung | Berlin · Der türkische Präsident Erdogan baut das politische System seines Landes systematisch zu einer Autokratie mit dem Präsidenten an der Spitze um. Die Zusammenarbeit zwischen der EU und der Türkei in der Flüchtlingsfrage steht damit auf dem Spiel.

 Kanzlerin Merkel mit dem türkischen Präsidenten Erdogan.

Kanzlerin Merkel mit dem türkischen Präsidenten Erdogan.

Foto: dpa, nie soe cul kde

So wie es im Auge des Sturms ruhig ist, befindet sich Europa gerade im windstillen Zentrum der Flüchtlingskrise. Durch das EU-Türkei-Abkommen und durch die unkoordinierten nationalen Grenzschließungen auf der Balkanroute ist der Andrang der Flüchtlinge nach Europa stark zurückgegangen. Doch, wie lange der Deal mit der Türkei noch hält, ist ungewiss. Wenn das Abkommen platzt, kann auch die Flüchtlingskrise mit voller Wucht und ihren innereuropäischen Verwerfungen zurückkehren.

Eine ganze Reihe von Konflikten zwischen der EU und der Türkei könnten Recep Tayyip Erdogan dazu bewegen, seinen Teil des Abkommens nicht mehr einzuhalten. An erster Stelle steht der Streit um die 72 Bedingungen, die er erfüllen soll, damit die türkischen Bürger Visa-Freiheit für Europa bekommen.

Streit um Armenien-Resolution

Erdogan ist nicht bereit, seine Anti-Terror-Gesetzgebung so zu entschärfen, dass sie den europäischen Anforderungen an Menschrechte und Meinungsfreiheit entsprechen. Im Gegenteil: Mit seinem Betreiben, die Immunität der Abgeordneten im türkischen Parlament aufzuheben, schafft er sich weitere Möglichkeiten, gegen Oppositionelle und Minderheit vorzugehen. Die Europäer müssen diesen Schritt als Provokation auffassen.

Deutschland, das in Europa zuvorderst auf das EU-Türkei-Abkommen angewiesen ist und sein Zustandekommen maßgeblich betrieben hat, steckt zudem in einer Reihe bilateraler Konflikte mit Erdogan. So kritisieren die Türken die für Anfang Juni geplante Armenien-Resolution des Bundestags scharf.

Die Resolution ordnet die Massaker an den Armeniern und deren Vertreibung durch die Türken zur Zeit des Ersten Weltkriegs als Völkermord ein. Auch der Fall des Satirikers Böhmermann um das Schmähgedicht gegen Erdogan hat weiterhin das Zeug, für diplomatische Schwierigkeiten zu sorgen. Das Verhältnis zwischen der Türkei und Deutschland ist so angespannt, dass jedes Wort auf der Goldwaage liegt.

Scheitert das Abkommen, scheitert Merkels Flüchtlingspolitik

Für Kanzlerin Angela Merkel steht mehr auf dem Spiel als die praktische Lösung der Flüchtlingskrise. Scheitert das EU-Türkei-Abkommen, dann ist auch ihre Flüchtlingspolitik gescheitert. Die Verwerfungen, die ein Scheitern des EU-Türkei-Abkommens haben wird, könnten weitreichend sein — die EU weiter auseinander treiben, die Regierung in Berlin destabilisieren und der AfD weiter Wasser auf die Mühlen geben.

(qua)
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