Flüchtlinge suchen neue Routen Nun macht auch Österreich die Grenzen dicht

Wien/Berlin/Budapest · Während die in Serbien festsitzenden Flüchtlinge nun über Kroatien ihren Weg nach Westeuropa finden wollen, hat nun auch Österreich wegen der anhaltend hohen Zahl ankommender Menschen vorübergehende Grenzkontrollen eingeführt. In der Nacht zum Mittwoch traten entsprechende Maßnahmen an der Grenze zu Ungarn in Kraft.

Die Kontrollen könnten bei Bedarf auch auf die Grenzen zu Italien, Slowenien und die Slowakei ausgedehnt werden, teilte das österreichische Innenministerium mit. Die EU will auf einem Sondergipfel am 22. September erneut über eine Lösung für die Flüchtlingskrise beraten.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sagte dem Fernsehsender ORF kurz vor Umsetzung der Maßnahme, niemand, der vor Krieg oder Verfolgung fliehe, werde zurück nach Ungarn geschickt. Menschen aus Syrien und anderen gefährlichen Herkunftsländern können demnach weiterhin um Asyl in Österreich bitten. Auch eine Reise weiter nach Deutschland sei möglich.

Deutsche Polizei greift 3500 Flüchtlinge an der Grenze zu Österreich auf

Unterdessen hat die Bundespolizei am zweiten Tag nach Wiederaufnahme der Kontrollen deutlich mehr Flüchtlinge an der Grenze zu Österreich aufgegriffen. Nach Angaben eines Sprechers der Bundespolizei in Rosenheim kamen am Dienstag rund 3500 Flüchtlinge aus dem Nachbarland nach Deutschland. Am Montag seien es noch etwa 1200 gewesen. Die Beamten hätten 13 Schlepper festgenommen.

Die Flüchtlinge würden zunächst zu einer Sammeleinrichtung gebracht und dann auf das gesamte Bundesgebiet verteilt. Die Behörden rechnen auch in den kommenden Tagen ungeachtet der kompletten Schließung der Grenze zwischen Ungarn und Serbien noch mit weiterem Zustrom von Flüchtlingen. "Wenn man sich anschaut, wie viele Menschen noch in Österreich unterwegs sind zum Beispiel, dann wird da noch einiges auf uns zukommen", sagte der Sprecher.

Derweil sind rund 1000 Flüchtlinge in der Nacht zum Mittwoch mit zwei Sonderzügen in Dortmund angekommen. Ein erster Zug mit rund 620 Flüchtlingen erreichte den Bahnhof gegen 1.40 Uhr, wie ein Sprecher der Feuerwehr sagte. Der Zug hatte auf dem Weg von Salzburg in Koblenz gestoppt, um die Flüchtlinge medizinisch zu versorgen. Zwei Schutzsuchende waren in einem Krankenhaus in Koblenz geblieben, 50 weitere mit Fieber und offenen Wunden wurden versorgt, konnten die Fahrt aber fortsetzen. In Dortmund angekommen, werden die Flüchtlinge nun mit Bussen in Unterkünfte in ganz Nordrhein-Westfalen gebracht. Ein zweiter Sonderzug mit rund 400 Flüchtlingen erreichte Dortmund in den frühen Morgenstunden.

Es wird vermutet, dass sich die Flüchtlinge nun auf andere Wege als die Balkanroute fokussieren, über die Zehntausende von ihnen in den vergangenen Tagen in die EU gekommen waren. Nach Ungarns völliger Schließung seiner Grenze zu Serbien hat sich dort ein erster Bus voll mit Flüchtlingen auf den Weg in das EU-Land Kroatien gemacht. Der Bus wurde am frühen Mittwochmorgen an der serbischen Grenzstadt Sid erwartet, wie örtliche Medien berichteten. Die Insassen waren demnach die Nacht über unterwegs, nachdem sie von der rund 500 Kilometer entfernten Grenze zu Mazedonien gestartet waren. Etwa 300 Flüchtlinge steckten weiter hinter dem ungarischen Grenzzaun im Nicht-EU-Land Serbien fest.

Ungarn schließt Grenzübergänge

Ungarn hatte am Dienstag die Grenze zum südlichen Nachbarn Serbien weitgehend geschlossen und will nun auch an der Grenze zum EU-Land Rumänien einen Zaun errichten, der Flüchtlinge abhalten soll. Dieser werde sich nicht entlang der gesamten rund 450 Kilometer langen Grenze erstrecken, sondern zunächst vom Drei-Länder-Eck mit Serbien und Rumänien bis hin zum Fluss Maros, sagte Ungarns Außenminister Peter Szijjarto. Das ist eine Strecke von ungefähr 25 Kilometern.

Rumäniens Regierungschef Victor Ponta kritisierte die ungarischen Pläne. "Stacheldraht, aggressive Gesetze, Gefängnis und Brutalität werden die Probleme nicht lösen", schrieb er am Dienstag auf Facebook. Im Fernsehsender Antena 3 fügte er hinzu, die Vorstellung sei schrecklich, was getan werden müsse, "wenn ungarische Truppen damit beginnen, auf Kinder und Frauen zu schießen oder sie zu töten". Sein Außenministerium erklärte, die ungarischen Maßnahmen seien keine faire Geste zwischen EU-Partnern und liefen dem europäischen Geist zuwider.

Bislang zieht die EU in ihrer Flüchtlingspolitik ohnehin nicht an einem Strang. Auch ein Krisentreffen der Innenminister am Montagabend hatte keinen Durchbruch gebracht. Sie einigten sich grundsätzlich zwar auf eine Verteilung von Asylsuchenden, nicht aber darauf, welches Land wie viele aufnehmen soll. Mindestens vier östliche EU-Länder stellten sich gegen eine Quotenregelung, mit der rund 120.000 in Italien, Griechenland und Ungarn gestrandete Flüchtlinge verteilt werden sollen.

Die Innen- und Justizminister der EU sollen am kommenden Dienstag auf einem Sondergipfel einen neuen Anlauf für eine Lösung nehmen. Zudem ist im Gespräch, dass kommende Woche die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Länder zusammenkommen.

Weidmann begrüßt Zuwanderung

Derweil hält Bundesbankpräsident Jens Weidmann Zuwanderung für eine notwendige Maßnahme, um Deutschlands Wohlstand zu erhalten. "Aufgrund des demografischen Wandels benötigt Deutschland zusätzliche Arbeitskräfte, um seinen Wohlstand halten zu können", sagte Weidmann der "Süddeutschen Zeitung" zur Begründung. Den Zustrom an Flüchtlingen zu bewältigen, werde Deutschland einiges abfordern. "Die Zuwanderung birgt aber auch Chancen. Diese sind umso größer, je besser es uns gelingt, die Menschen, die dauerhaft zu uns kommen, in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt zu integrieren."

Weidmann warnte, die gute Wirtschaftslage in Deutschland sei "nicht naturgegeben und kein Grund sich zurückzulehnen". "Auch der gegenwärtige Aufschwung wird einmal enden", sagte er der "SZ". Langfristig stehe Deutschland ohnehin vor "beträchtlichen Herausforderungen, wenn man etwa an die alternde Gesellschaft, den zunehmenden Wettbewerb durch die Schwellenländer oder die Energiewende" denke. Deutschland brauche daher Reformen und Zuwanderung.

(ap/AFP/REU)
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