Rettung von Flüchtlingen Politiker fordern Lösung im Streit um EU-Mission „Sophia“

Brüssel/Rom/Berlin · In der Migrationsdebatte sorgt Italien für neue Unruhe, nun steht der EU-Militäreinsatz vor Libyen infrage. Werden künftig überhaupt noch Menschen im Mittelmeer gerettet? Manche glauben: nein.

 Ein Crew-Mitglied geht über ein Schiff der EU-Mission „Sophia“.

Ein Crew-Mitglied geht über ein Schiff der EU-Mission „Sophia“.

Foto: dpa/Simon Kremer

Politiker von CDU und Grünen haben die EU-Staaten ermahnt, sich schnell auf eine Verteilung von aus Seenot geretteten Migranten zu einigen. Mit ihrer Drohung, italienische Häfen für Schiffe der EU-Mission „Sophia“ zu sperren, hatte die Regierung in Rom eine sofortige Überprüfung der Operation vor der libyschen Küste erzwungen. Vertreter der EU-Staaten einigten sich am Freitagabend in Brüssel darauf, möglichst innerhalb der kommenden fünf Wochen eine neue Strategie zum Umgang mit Migranten zu vereinbaren, die bei dem Einsatz gerettet wurden. Diese waren bislang ausschließlich nach Italien gebracht worden.

Um zu verhindern, dass EU-Schiffe Migranten retten, die dann nirgendwo an Land gehen können, hatte der zuständige „Sophia“-Einsatzführer Enrico Credendino am Donnerstag angeordnet, dass sich alle an der Operation beteiligten Schiffe bis kommenden Montag aus dem Einsatzgebiet zurückziehen und in Häfen einlaufen sollen. Unklar blieb zunächst, ob und wann der Einsatz wieder voll aufgenommen wird.

Der verteidigungspolitische Sprecher der Union-Bundestagsfraktion, Henning Otte, sagte dem NDR, die EU-Mission „Sophia“ müsse künftig nicht nur die Seenotrettung und den Kampf gegen Schleuser umfassen, sondern auch die Verteilung der Menschen, „damit Klarheit herrscht und nicht im Einzelfall immer neu entschieden werden muss“. Ziel müsse aber bleiben, die Geretteten nicht nach Europa zu bringen, sondern zurück nach Nordafrika. Dafür müsse Libyens Einheitsregierung mehr unterstützt werden. Franziska Brantner, europapolitische Sprecherin der Grüne-Bundestagsfraktion, sagte: „Es kann nicht sein, dass jetzt auch noch die letzten Elemente einer staatlichen Seenotrettung gekippt und gleichzeitig die privaten Seenotretter kriminalisiert werden.“

Der ehemalige Grünen-Parteichef Jürgen Trittin fürchtet angesichts der italienischen Blockadedrohungen ein Scheitern der gesamten europäischen Seenotrettung im Mittelmeer. „Wenn Schiffe der Grenzschutzagentur Frontex und andere EU-Marineboote nicht mehr retten können, weil sie die Flüchtlinge nirgends in Europa an Land bringen können, werden sie nicht mehr auslaufen können“, sagte Trittin der Oldenburger „Nordwest-Zeitung“. „Seenotrettung findet dann nicht mehr statt. Der Name „Operation Sophia“ verkommt zur zynischen Begleitmusik für tausendfaches Sterben im Mittelmeer.“

Aus EU-Sicht könne der Einsatz in allen Bereichen fortgesetzt werden, hieß es am Freitagabend nach stundenlangen Beratungen in Brüssel aus Diplomatenkreisen. Alle Mitgliedstaaten hätten bekräftigt, dass der Operationsplan bis zum Abschluss der strategischen Überprüfung weiter Bestand habe.

Trittin warf Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), Österreichs Kanzler Sebastian Kurz und Italiens Innenminister Matteo Salvini vor, sich zu einer „Achse der Willigen“ zusammengeschlossen zu haben, um die Mittelmeerroute für Flüchtlinge abzuriegeln. „Europas Flüchtlingspolitik bietet ein Bild des Grauens“, sagte Trittin.

In Italien wird der auch von Deutschland mit einem Marineschiff unterstützte EU-Einsatz seit langem mehr als Problem denn als Hilfe gesehen. Das liegt vor allem daran, dass sich die Regierung 2015 damit einverstanden erklärt hatte, dass am Rande des Einsatzes gerettete Migranten in italienische Häfen gebracht werden. Damals war noch nicht absehbar, dass die eigentlich für den Kampf gegen Schleuserkriminalität losgeschickten EU-Schiffe Zehntausende Menschen an Bord nehmen würden. Bislang waren es insgesamt rund 50.000. Für das deutsche Marineschiff „Mosel“ hat der jüngste Rückzugsbefehl keine unmittelbaren Konsequenzen, da es derzeit im Hafen von Souda an der Küste der griechischen Insel Kreta liegt.

Was für eine Lösung am Ende der Überprüfung stehen könnte, ist noch offen. Nach Angaben aus EU-Kreisen ist denkbar, dass während der Operation gerettete Migranten künftig in der EU verteilt werden. Theoretisch könnte auch vereinbart werden, dass die EU-Schiffe nicht mehr ausschließlich italienische Häfen anfahren, nachdem sie Migranten gerettet haben.

(wer/dpa)
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