Flüchtlingskrise Merkel hält Kosten von zehn Milliarden Euro für möglich

Berlin · Nach der Einigung der Koalition in der Flüchtlingspolitik sieht die Kanzlerin nun Europa am Zug. Über die internationale Anerkennung für Deutschland freut sich Merkel. Aber Gabriel warnt: Es wird Konflikte geben.

Das ist das Milliarden-Paket der Bundesregierung zur Flüchtlingshilfe
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Foto: dpa, shp

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält für das nächste Jahr Gesamtkosten von zehn Milliarden Euro zur Bewältigung des Flüchtlingszuzugs in Deutschland für möglich. Sie könne eine solche Zahl für Bund, Länder und Kommunen insgesamt zwar nicht bestätigen. Aber angesichts der allein vom Bund bereitgestellten sechs Milliarden Euro für 2016 sei eine solche Summe nachvollziehbar, sagte Merkel am Montag in Berlin auf einer Pressekonferenz mit Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD).

Nach der nächtlichen Koalitionseinigung auf ein weitgehendes Paket zur Flüchtlingshilfe forderte Merkel nun eine "Kraftanstrengung der Europäischen Union". Wichtig sei eine "solidarische und faire Verteilung der Flüchtlinge, sagte sie. "Wir sind ein Europa der Werte."

Die Spitzen der großen Koalition hatten beschlossen, dass der Bund die Mittel für Flüchtlinge im Haushalt 2016 um drei Milliarden Euro erhöht. Bundesländer und Kommunen sollen weitere drei Milliarden Euro erhalten. In diesem Jahr hat der Bund eine Milliarde Euro für Flüchtlingshilfe bereitgestellt.

Beschlossen wurde auch, dass der Bund Länder und Kommunen beim Ausbau von etwa 150.000 winterfesten Plätzen in menschenwürdigen Erstaufnahmeeinrichtungen "verstärkt unterstützen" wird. Die Koalition will zudem den Kreis der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten um Kosovo, Albanien und Montenegro erweitern.

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Foto: dpa, mjh fdt

Für Staaten, die sich weigern, Flüchtlingen Schutz zu geben, zeigte die Kanzlerin kein Verständnis: "Manch einer sagt, er hat damit wenig zutun. Das wird auf Dauer nicht tragen." Sonst könnten in der EU auch "andere Gedanken" aufkommen, sagte Merkel auf die Frage, ob Zwangsmaßnahmen gegen widerspenstige Staaten denkbar seien. Sie halte nichts davon, sich gegenseitig an den Pranger zu stellen, aber: "Die Zeit drängt für eine gemeinsame Lösung."

Gabriel sieht die Bewältigung der hohen Flüchtlingszahlen als größte Herausforderung seit der deutschen Wiedervereinigung. Darauf müsse nun mit "Zuversicht und Realismus" reagiert werden, sagte der Vizekanzler. Neben der großen Hilfsbereitschaft gebe es bei den Bürgern auch Sorgen und Ängste, ob das alles zu schaffen sei. "Es wird auch Konflikte geben." Je offener man darüber spreche, desto leichter werde es der Politik fallen, Enttäuschungen zu vermeiden. "Wir müssen das Land auch zusammenhalten."

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Merkel misst der internationalen Anerkennung der Aufnahmebereitschaft Deutschlands in der Flüchtlingskrise historische Bedeutung zu. "Ich finde das schon durchaus bewegend", sagte sie. "Das ist etwas sehr Wertvolles, wenn man einen Blick in unsere Geschichte wirft." Sie freue sich, "dass Deutschland auch ein Land geworden ist, mit dem viele Menschen außerhalb Deutschlands Hoffnungen verbinden".

Der Koalitionsausschuss hatte auch beschlossen, Bargeldbedarf in Erstaufnahmeeinrichtungen so weit wie möglich durch Sachleistungen zu ersetzen. Endgültige Entscheidungen sollen am 24. September fallen. Bundestag und Bundesrat sollen im Oktober abstimmen.

Ferner wird Deutschland die Mittel im Haushalt des Auswärtigen Amtes für Krisenbewältigung und -prävention um jährlich 400 Millionen Euro aufstocken. Bei der Bundespolizei werden 3000 zusätzliche Stellen für die kommenden drei Jahre geschaffen, der Bundesfreiwilligendienst soll um bis zu 10.000 Stellen aufgestockt werden.

2014 hatte die Bundesregierung angesichts einer großen Zahl an aussichtslosen Asylanträgen bereits Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sichere Herkunftsländer klassifiziert.
Angehörige der dann sechs als sicher eingestuften Balkanstaaten sollen Möglichkeiten der legalen Migration zur Arbeitsaufnahme in Deutschland bekommen: "Wer einen Arbeits- oder Ausbildungsvertrag mit tarifvertraglichen Bedingungen vorweisen kann, soll arbeiten oder eine Ausbildung aufnehmen dürfen", heißt es in dem Maßnahmenpapier.

Die Grünen, deren Landesregierungen im Bundesrat als Unterstützer benötigt würden, erwägen unter bestimmten Voraussetzungen ein Ja zur Erweiterung der sicheren Herkunftsstaaten. "Wenn das vor allem Symbolpolitik ist, dann ist das mit uns nicht zu machen. Wenn es wirklich hilft, Flüchtlinge unterzubringen und gut zu versorgen, dann sind wir mit dabei", sagte Parteichefin Simone Peter dem Fernsehsender Phoenix. Bisher hatte die Partei ihre Skepsis betont.

(dpa)
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