Kommentar Barleys Charme als Chance

Berlin · Mit Katarina Barley stellt die SPD eine glaubwürdige Figur für die sozialdemokratische Erzählung bei der Europawahl auf: Weltoffenheit statt Nationalismus, mehr Europa statt weniger. Aber die amtierende Bundesjustizministerin muss erst noch beweisen, dass sie wirklich Lust auf den Job in Brüssel und auch das nötige Format für das Tauziehen mit zerstrittenen Europäern hat.

Kein Zweifel, Katarina Barley kann sympathisch rüberkommen. Sie wirkt nahbar, lächelt viel, verkörpert die europäische Identität. Die Halbbritin wohnt in Trier, von dort ist es ein Katzensprung in gleich drei Nachbarländer der Bundesrepublik. Das allein macht natürlich noch keine Qualifikation für eine Tätigkeit in Brüssel aus.

Doch die Juristin beherrscht vier Fremdsprachen, hat zwei Pässe, studierte in Paris und verfasste ihre Doktorarbeit zum Europarecht. Kurzum, Barley passt glaubwürdig in die Rolle der SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl. Auch deswegen wollten die Strategen im Willy-Brandt-Haus unbedingt die 49-Jährige ganz oben auf die Liste setzen. Die SPD-Botschaften für diese von Barley selbst „als wichtigste Wahl des Jahrzehnts“ hochgejazzte Abstimmung sind leicht zu raten: Die Sozialdemokraten wollen dem um sich greifenden Rechtspopulismus und Nationalismus trotzen, ein Zeichen für Europa setzen, die Vertiefung vorantreiben, mehr europäische Identität stiften, sie sehen Deutschland als zentralen Bestandteil der Gemeinschaft. Barley tritt dafür ein, sie glaubt daran und könnte so durchaus Chancen haben, den Sozialdemokraten wieder Hoffnung zu geben. Die Messlatte liegt allerdings mit dem guten Ergebnis von Martin Schulz von 27 Prozent im Jahr 2014 sehr hoch.

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Foto: dpa/Jens Kalaene

Und überhaupt muss Barley jetzt erst einmal unter Beweis stellen, dass sie wirklich für den Job in Brüssel brennt. Bisher war das nicht der Fall, am liebsten wäre sie Justizministerin geblieben. Zudem fehlt der Frau mit der Blitzkarriere in der SPD der Nachweis, dass sie geeignet wäre, bis ins Mark zerstrittene Europäer zusammenzubringen und zu Kompromissen zu bewegen. Barley mag menschlich überzeugen, ihre Liste von Erfolgen nach harten politischen Auseinandersetzungen ist jedoch noch überschaubar.

(jd )
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