Die EU bestimmt unseren Alltag Warum die Europawahl so wichtig ist

Düsseldorf · Viele bezeichnen die Europawahl im Mai schon als „Schicksalswahl“ - auch weil der Zulauf zu Populisten und EU-Gegnern ungebrochen scheint. Dabei wirkt die EU heute so viel wie nie auf das Leben der Menschen ein.

Ein Mann wirft in einem Wahllokal  seinen Stimmzettel in eine Wahlurne.

Ein Mann wirft in einem Wahllokal seinen Stimmzettel in eine Wahlurne.

Foto: dpa/Fredrik von Erichsen

Hast Du einen Opa, schick ihn nach Europa" war lange ein beliebter Satz, mit dem die Bedeutungslosigkeit des Europaparlaments verspottet wurde. Doch dort sitzen heute keine bloßen Abnicker mehr. Die Kompetenzen des Parlaments werden seit den 70er Jahren stetig erweitert. Die EU betrifft uns im Alltag alle - gerade deshalb ist die Wahl im Mai 2019 so wichtig.

Denn die 751 Abgeordneten des Parlaments müssen nicht nur einem Großteil der EU-Gesetzesvorhaben zustimmen, sondern kontrollieren auch den Brüsseler Haushalt und das Personal der EU-Kommission. Heute billigt das Parlament etwa 60 Prozent der EU-Gesetzgebung, nach Inkrafttreten des Reformvertrages von Lissabon wären es 90 Prozent.

In zahlreichen Bereichen bestimmt die EU - und damit auch das EU-Parlament - unseren Alltag:

Exporte

Deutschland ist das zweitstärkste Export-Land der Welt. Weil unsere Güter im Ausland so beliebt sind, werden bei uns viele Arbeitsplätze gesichert. 63 Prozent der deutschen Exporte landen in den anderen EU-Staaten - ohne dabei durch Zollschranken behindert zu werden. Das alles wäre ohne den gemeinsamen Binnenmarkt unmöglich.

Garantien

Die Garantie für Konsumgüter, beispielsweise elektronische Geräte ist dank der EU europaweit auf zwei Jahre gestiegen. In Deutschland hatte die Garantiezeit zuvor in der Regel nur ein halbes Jahr betragen. Auch kann der Kunde nun ein in Frankreich gekauftes Handy in Deutschland umtauschen.

Telefonieren

Dass Telefonate für uns in jüngster Vergangenheit deutlich billiger geworden sind, liegt vor allem an der EU. Diese hat den Telekommunikationsmarkt liberalisiert und nationalen Monopolen den Kampf angesagt. Speziell auch Auslandstelefonate mit dem Handy sind auf Initiative des Europäischen Parlaments und der EU-Kommission preiswerter geworden.

Haustürgeschäfte

Bekommt man an der Haustür beispielweise einen Staubsauger aufgeschwatzt, kann man dank der EU auch im Nachhinein wieder von solch dubiosen Geschäften zurücktreten. Die EU hat derartigen "Kuhhandeln" durch eine Richtlinie europaweit einen Riegel vorgeschoben. Nun kann jeder nach einer solchen Transaktion noch einmal überlegen — selbst wenn er bereits unterschrieben hat.

Atemluft

Dass unsere Atemluft in den vergangenen Jahren besser geworden ist, liegt auch an der EU. Denn die hat europaweit verbindliche Standards für die Qualität der Luft durchgesetzt.

Fliegen

Das Fliegen ist dank der EU deutlich günstiger geworden. Auch in diesem Bereich wurden die nationalen Monopole abgeschafft und Konkurrenz zugelassen. Mit einer britischen Airline von Deutschland nach Portugal zu fliegen ist beispielsweise kein Problem mehr. Die Rechte der Passagiere sind durch die EU ebenfalls gestärkt worden. Muss man wegen Überbuchung auf den nächsten Flieger warten oder verpasst man aufgrund einer großen Verspätung der Maschine einen wichtigen Termin, wird entschädigt.

Trinkwasser

Seit rund zehn Jahren existieren EU-Standards für Trinkwasser, an die alle Mitgliedstaaten gebunden sind. Innerhalb der EU den Wasserhahn aufzudrehen und sich ein Glas zum Trinken vollzumachen ist also bedenkenlos möglich.

Reisen

Zwischen den meisten europäischen Staaten gibt es keine Grenzkontrollen mehr, was das Reisen spürbar vereinfacht. Die EU hat dies durch das Schengener Abkommen ermöglicht. Ausnahmen bilden lediglich Großbritannien, Irland, Bulgarien, Rumänien und Zypern.

Wahl des Arbeitsplatzes

Als Arbeitnehmer ist es mir erlaubt, überall in der EU zu arbeiten. Brüssel, Florenz, Manchester oder Warschau - ein Düsseldorfer kann sich seine Brötchen in ganz Europa verdienen.

Europawahl 2024 - Kandidaten: Die Spitzenkandidaten der EU-Wahl
19 Bilder

Die Spitzenkandidaten der Europawahl 2024

19 Bilder
Foto: dpa/Jens Kalaene

Krankheitsfall im Urlaub

Die Mitgliedsstaaten der EU stellen sich gegenseitig ihr Krankenversicherungssystem zur Verfügung. Mit einer Europäischen Versicherungskarte oder einem entsprechenden Formular kann man sich auf seine Genesung konzentrieren und muss sich nicht mit einer fremden Bürokratie herumzuschlagen.

Man sieht, die stärksten Kompetenzen hat die EU - und damit auch das Parlament - heute in Bereichen wie Verbraucher- und Umweltschutz und der Sicherheit von Lebensmitteln. Über Lissabon würden die Abgeordneten auch ein Mitspracherecht bei der Justizzusammenarbeit, der inneren Sicherheit, der Einwanderung und Agrarpolitik bekommen. Dagegen bleibt die Außen- und Sicherheitspolitik Domäne der EU-Regierungen. Dem Beitritt neuer Mitgliedstaaten müssen die Abgeordneten schon heute zustimmen.

Das Parlament teilt mit den Regierungen übrigens auch die Kompetenz über den EU-Haushalt. Es kontrolliert gleichzeitig die Budgetführung der EU-Kommission, die sich von den Abgeordneten jedes Jahr dafür entlasten lassen muss. Schließlich überwacht das Parlament die Kommission auch personell. So brachte es 1999 die Kommission unter Jacques Santer zu Fall, nachdem die Französin Edith Cresson einem befreundeten Zahnarzt lukrative Verträge zugeschanzt hatte. 2004 lehnten die Abgeordneten einen italienischen Kandidaten für das Justizressort wegen dessen erzkonservativer Haltung zu Homosexuellen und Frauen ab.

Neben all den genannten Gründen gibt es aber noch einen Aspekt, warum jeder Bürger zur Europawahl gehen sollte: Eine schlechte Wahlbeteiligung würde den radikalen Parteien am linken und rechten Spektrum in die Hände spielen. Und daran kann - sei es nun in Europa oder im eigenen Land - niemandem gelegen sein.

(AFP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort