Satiriker Sonneborn bekommt Unterstützung „Die Partei“ kann bei Europawahl deutlich zulegen

Berlin/Brüssel · Die Partei des Satirikers Martin Sonneborn hat ersten Schätzungen zufolge mindestens zwei Sitze im EU-Parlament gewonnen. „Die Partei“ kommt laut Hochrechnungen auf 2,4 Prozent der Stimmen.

 Martin Sonneborn und Nico Semsrott beim Start in den EU-Wahlkampf (23. April 2019).

Martin Sonneborn und Nico Semsrott beim Start in den EU-Wahlkampf (23. April 2019).

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Neben Parteichef Sonneborn wird wohl auch der Kabarettist Nico Semsrott ins Parlament einziehen. Sie fordert den Bau einer deutschen Atombombe und die Einführung eines "Höchstwahlalters" - prangert aber auch demokratiefeindliche Bestrebungen in der EU und das Flüchtlingssterben auf dem Mittelmeer an. "Die Partei" rund um Satiriker Martin Sonneborn hat vor der Europawahl skurrile Vorschläge auf den Tisch gelegt, mit so manchen ihrer Botschaften aber auch den Finger in offene Wunden gelegt. Mit dieser Strategie hat die Kleinpartei ihren Stimmenanteil nun deutlich steigern können.

Rund 2,4 Prozent der Stimmen sicherte sich "Die Partei" laut Hochrechnungen vom Sonntagabend. Sonneborn, der bereits 2014 dank des Wegfalls der Drei-Prozent-Hürde mit gut 0,6 Prozent ins Europaparlament eingezogen war, dürfte damit bald Unterstützung bekommen: Künftig wird die im Jahr 2004 von Mitarbeitern des Satiremagazins "Titanic" gegründete Partei wohl mindestens zwei Abgeordnete stellen.

Beobachter hatten der Partei bereits in der Vergangenheit ein gewisses Potenzial als Protestpartei vor allem im linksalternativen Milieu bescheinigt. "Wenn Politiker nur noch Satire machen, müssen wir Satiriker wohl Politik machen", fasst Europakandidat Nico Semsrott zusammen. Aktuell griff die Partei auch eine Reihe von Umweltthemen auf - und forderte etwa die Leugnung des Klimawandels mit der "Höchststrafe" zu ahnden: einem Führerscheinentzug.

Neben „Die Partei“ werden einige weitere der deutschen Splitterparteien wieder im Europaparlament vertreten sein. Denn anders als bei Bundestags- oder Landtagswahlen gibt es in Deutschland derzeit keine Mindesthürde für die Entsendung von Abgeordneten ins Europäische Parlament.

Schon weniger als ein Prozent reicht deshalb aus, um ein Parlamentsmandat zu gewinnen. Voraussichtlich sieben Kleinstparteien errangen am Sonntag mindestens einen der 96 Parlamentssitze, die Deutschland zustehen.

Zwei Sitze erreichten die Freien Wähler. Mit einem Sitz rechnen konnten die Piraten, die Tierschutzpartei, die Familienpartei, die ÖDP und die Partei für Volksabstimmungen.

Ermöglicht hat diese Vielfalt in der Parlamentslandschaft ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2011: Die Richter befanden, dass die geltende Fünf-Prozent-Sperrklausel bei den Europawahlen gegen die Chancengleichheit der Parteien verstoße und deshalb verfassungswidrig sei. Deshalb zählt Deutschland derzeit zu jenen 14 EU-Ländern, in denen bei Europawahlen keine Sperrklausel gilt.

Bei der nächsten Europawahl 2024 dürfte es für die deutschen Zwergparteien wieder deutlich schwerer werden, ein Parlamentsmandat zu erringen. Der Europäische Rat beschloss vergangenes Jahr in Brüssel, dass die EU-Mitgliedsstaaten bis 2024 jeweils eine Sperrklausel von zwei bis fünf Prozent einführen müssen - dann wird sich so mancher Vertreter einer Splitterpartei vom Abgeordnetenmandat verabschieden müssen.

(felt/AFP)
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