Gipfel-Treffen in Moldau Fast 50 Staaten vereint gegen Putin

Bulboaca/Moldau · Es ist einer der größten Gipfel des Jahres. Und er findet in unmittelbarer Nähe des ukrainischen Kriegsgebiets statt. In der früheren Sowjetrepublik Moldau versammeln sich rund 50 europäische Staaten, vor allem um ein Signal zu senden: Russland ist isoliert.

Moldau, Bulboaca: Wolodymyr Selenskyj (M), Präsident der Ukraine, steht beim Familienfoto vor Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, hinten M), beim Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) in Moldau.

Moldau, Bulboaca: Wolodymyr Selenskyj (M), Präsident der Ukraine, steht beim Familienfoto vor Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, hinten M), beim Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) in Moldau.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Kriegszeiten sind Zeiten, in denen Symbolik viel zählt. Manchmal sogar entscheidend sein kann. Und so ist sowohl der Ort als auch die Zusammensetzung des zweiten Gipfels der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) eine Ansage: Rund 50 Staaten, genau 47 Staats- und Regierungschefs, treffen sich in der ehemaligen Sowjetrepublik Moldau, nur rund 20 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Die Staats- und Regierungschefs fast aller europäischen Länder reisen an. Zwei Staaten sind allerdings nicht dabei: Russland und Belarus.

„Dass Belarus und Russland nicht da sind, aber alle anderen, ist ein starkes Signal“, betont Kanzler Olaf Scholz (SPD). „Es sind alles Staaten, die sich gegen die imperialistische Attacke Russlands zur Wehr setzen.“ Und tatsächlich, auch wenn der Gipfel einer der größten dieses Jahres ist: Die EPG ist bisher kaum bekannt. Das Format wurde im vergangenen Oktober auf Initiative des französischen Präsidenten Emmanuel Macron mit einem ersten Gipfel in Tschechiens Hauptstadt Prag etabliert, um die Zusammenarbeit zwischen der EU und anderen europäischen Staaten zu verbessern. Die ehemalige Sowjetrepublik Moldau als Veranstalter wiederum ist eines der ärmsten Länder Europas – und wie die von Russland angegriffene Ukraine seit einem Jahr EU-Beitrittskandidat. Politisch ist das Land aber weiterhin zwischen proeuropäischen und prorussischen Kräften gespalten. In der abtrünnigen Region Transnistrien im Osten des Landes sind seit den 1990er Jahren russische Soldaten stationiert.

Der Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, bis zuletzt aus Sicherheitsgründen geheim gehalten, ist der Höhepunkt des Gipfels. Auch hier ein Symbol: Selenskyj inmitten der internationalen Gemeinschaft. Für Scholz und Selenskyj ist es bereits die dritte persönliche Begegnung innerhalb von drei Wochen: Mitte Mai war der ukrainische Staatschef zum ersten Mal seit Beginn des russischen Angriffskriegs in Berlin, wenige Tage später sah er Scholz beim G7-Gipfel in Japan.

Das Treffen findet zu einem Zeitpunkt statt, in dem die ukrainische Hauptstadt Kiew verstärkt Ziel russischer Angriffe ist. Scholz betont daher die Bedeutung der deutschen Unterstützung der Ukraine mit Flugabwehrsystemen. Dieser Beitrag sei gerade jetzt wichtig, „wo es so viele Angriffe mit Raketen, mit Flugzeugen, mit Marschflugkörpern seitens der Russischen Föderation gibt.“ Und er stellt der Ukraine Sicherheitsgarantien in Aussicht. „Wir haben immer gesagt, dass es auch für eine Friedensordnung nach dem Krieg Garantien geben muss, und da wird Deutschland einen Beitrag leisten“, sagt Scholz. Wie diese Garantien konkret aussehen könnten, sei noch zu klären, fügt er hinzu.

Selenskyj nennt bei dem Gipfel in Moldau Sicherheitsgarantien für die Ukraine und ihre Nachbarländer „sehr wichtig“. In der Nato werden solche Sicherheitsgarantien beim Bündnisgipfel in Litauen am 11. und 12. Juli diskutiert, zu dem Selenskyj eingeladen ist. Die EU- und Nato-Staaten warnt Selenskyj am Donnerstag sehr eindrücklich vor einer Hinhaltetaktik. „Denken Sie an die Enttäuschung unserer Soldaten, die für Freiheit kämpfen und an die Enttäuschung jener Nationen, für die unser Kampf in der Ukraine Hoffnung ist“, sagt er. Wenn nicht einmal diejenigen eine klare positive Antwort auf den Wunsch zum Nato- und EU-Beitritt bekämen, die die Werte Europas mit Blut verteidigten, könne es für andere kaum mehr fassbare Hoffnung geben. Hier allerdings bleiben Scholz und auch Macron noch vage. Das Bündnis berate über andere Möglichkeiten, um Kiew den Weg dahin aufzuzeigen, heißt es.

Neben dem offiziellen Gipfelprogramm steht noch ein weiterer Konflikt im Raum. Nach den Zusammenstößen im Norden des Kosovo sprechen in Moldau Scholz und Macron mit dem kosovarischen Präsidentin Vjosa Osmani und dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic am Nachmittag bei einem gemeinsamen Treffen. Franzosen und Deutsche wollen deeskalieren. Die kosovarische Regierung hatte ethnisch-albanische Bürgermeister in mehrheitlich von Serben bewohnten Städten im Norden des Kosovo unter Polizeischutz in ihre Ämter gebracht. Serbische Bewohner der Region protestierten dagegen gewaltsam, die Serben hatten zuvor allerdings die Kommunalwahlen weitgehend boykottiert. Bei den Zusammenstößen wurden auch Dutzende Soldaten der internationalen Schutztruppe KFOR verletzt. Scholz zeigt sich am Abend dann verhalten optimistisch, eine Beruhigung der Lage erreicht zu haben. In der EU war man in den vergangenen Tagen sehr ungehalten über die Haltung des Kosovo.

Insgesamt ist die Lage beim Gipfel also durchaus angespannt. So heiter die Aufstellung beim traditionellen Familienfoto mit allen anwesenden Staats- und Regierungschefs auch scheinen mag: Für die Sicherheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer muss die Nato sorgen. Während des Gipfels sind Awacs-Aufklärungsflugzeuge im Einsatz. Ein Risiko will hier keiner eingehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort