Reaktion auf Skandale um Euribor und Libor EU will Zins-Betrug ein Ende setzen

Brüssel · Damit Banken künftig nicht mehr zu ihren Gunsten international bedeutende Zinssätze manipulieren können, will die EU-Kommission das Zustandekommen dieser Referenzwerte strenger überwachen.

 EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier will den Banken genau auf die Finger schauen.

EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier will den Banken genau auf die Finger schauen.

Foto: ap, Virginia Mayo

Nach den jüngsten Skandalen will die EU-Kommission gegen die Manipulation von Zinssätzen wie Libor oder Euribor durchgreifen. Die beiden wichtigsten Vergleichssätze für den Handel zwischen den Banken sollen künftig nur noch unter behördlicher Aufsicht bestimmt werden. Zins-Fälscher müssten mit Geldbußen bis hin zu Gefängnis rechnen. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf präsentierte EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier am Mittwoch in Brüssel. Verbraucher würden davon profitieren, weil die Zinssätze die Grundlage für Finanzprodukte wie Immobilien- und Verbraucherkredite, Sparbücher und komplexe Derivate bilden.

Bisher haben die Banken Libor und Euribor nahezu unbeaufsichtigt ermittelt. Die EU-Pläne schreiben vor, dass für die Bestimmung eines Referenzwertes künftig korrekte und repräsentative Daten herangezogen werden müssen - und nicht allein Schätzungen. Für Zinsmanipulation sind Strafen von bis zu 500 000 Euro für Personen und 1 Million Euro oder zehn Prozent des Umsatzes für Firmen vorgesehen. Bereits auf den Weg gebrachte Gesetzesänderungen sehen auch Haftstrafen vor. "Die Verantwortlichen müssen hinter Gitter geschickt werden können", betonte Barnier.

Die EU-Kommission reagiert damit auf die 2012 publik gewordenen Zinsskandale, in denen Großbanken die Libor- und Euribor-Werte jahrelang mit falschen Angaben verschoben hatten, um höhere Gewinne einzustreichen. Banken wie Barclays und UBS wurden deswegen zu Strafen verurteilt.

Nach Ansicht von Kritikern hat der EU-Kommissar seinen Vorschlag verwässert. Denn trotz der Tricksereien bei dem in London ermittelten Libor soll die Kontrolle nach wie vor bei den Briten bleiben. London hatte Widerstand angekündigt, weil es seinen Finanzplatz schützen will.

Barnier überlässt nun die Überwachung den Vertretern nationaler Behörden - obwohl er diese Aufgabe zunächst der EU-Börsenaufsicht Esma übertragen wollte. Diese ist laut EU-Diplomaten damit aber überfordert. Die Esma soll in Streitfällen das letzte Wort haben.

Der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold kritisierte: "Die Kommission kuscht vor dem angekündigten Widerstand und vergibt die Chance, in diesem Kernbereich für starke und europäische Finanzmarktregulierung zu streiten."

Nach EU-Schätzung hängen Geschäfte mit Verbrauchern und Unternehmen in Höhe von tausend Billionen Euro von den Referenzzinsen ab. "Das ist eine Eins mit 15 Nullen", erklärte Barnier. Libor und Euribor seien das Herz des Systems: "Wenn dieser Kern verfälscht wird, steht die ganze Finanzwelt auf Treibsand."

Damit der Vorschlag Gesetzeskraft erhalt, ist die Zustimmung vom Europaparlament und den EU-Staaten nötig. Die EU-Kommission erwartet das bis zum Frühjahr, dann könnten die Vorgaben 2015 in Kraft treten.

Barnier will das Vertrauen in die Bankbranche wiederherstellen. So sollen Banken künftig bei Hypothekenkrediten prüfen, ob der Referenzsatz sich dafür überhaupt eignet. Die EU-Behörde soll Banken zudem zwingen können, sich an der Festsetzung von Libor und Euribor zu beteiligen. Einige Banken waren aus dem Gremium ausgeschieden, nachdem die EU-Kommission im Sommer angekündigt hatte, dass Manipulationen künftig strafrechtlich verfolgt werden können.

Der Libor wird täglich in London aus den Meldungen von Banken ermittelt und stellt den durchschnittlichen Zinssatz dar, zu dem sich die Institute untereinander Geld leihen. Der Euribor ist das Pendant in der Eurozone.

Der Vorschlag der EU-Kommission bezieht sich auch auf weitere Indizes etwa für Rohstoffe wie Öl, Gas und Biokraftstoffe sowie Währungen.

(dpa)
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