Treffen der Justizminister EU will gegen Sanktionsbrecher vorgehen

Brüssel · Die EU-Justizminister wollen das Einziehen kriminell erworbener Vermögenswerte erleichtern – und damit auch russischen Oligarchen mit Beteiligung an Kriegsverbrechen das Geld entziehen.

 Europaflaggen wehen vor dem Sitz der EU-Kommission.

Europaflaggen wehen vor dem Sitz der EU-Kommission.

Foto: dpa/Zhang Cheng

Steht Deutschland auf der Bremse, wenn es darum geht, das Vorgehen gegen den Bruch von EU-Sanktionen gegen Russland zu vereinheitlichen und zu beschleunigen? Als die EU-Justizminister am Freitag in Brüssel einen „Fortschrittsbericht“ zu dem Vorhaben einer entsprechenden neuen EU-Richtlinie zunächst lediglich zur Kenntnis nehmen wollten, meldete sich Polens Justizminister Zbigniew Ziobro überraschend zu Wort, um eine geharnischte Kritik loszuwerden. Das sei „kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt“, weil die EU in dieser Frage einfach nicht vorankomme. Seit einem Jahr schon führe Russland den Angriffskrieg und töte Zivilisten in der Ukraine. Aber die EU sei immer noch nicht in der Lage, eine Richtlinie zu verabschieden, um die Sanktionen auch „wirklich durchzusetzen“.

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Daraufhin knöpfte sich Ziobro vor allem Deutschland vor. Er wolle „vor allem an den deutschen Minister appellieren“. Berlin müsse von der 18-Monate-Bedingung abrücken. „18 Monate als Frist für die Umsetzung einer Handvoll von Regeln, das ist nicht seriös“, schimpfte der polnische Minister. Sein Land habe das binnen einer Woche hinbekommen. „Ich denke, es würde schneller gehen, wenn Deutschland anders ansetzt,“ fügte er hinzu. Daraufhin meldeten sich auch Vertreter anderer EU-Mitglieder zu Wort und erreichten als Ergebnis des Treffens, dass nicht erst bei der nächsten Zusammenkunft im Juni, sondern „vielleicht schon vorher“ ein Einvernehmen in dieser Frage erzielt werden solle, möglicherweise könne die Runde der Botschafter hier bereits zu einem schnelleren Ergebnis kommen.

Der angesprochene „deutsche Minister“ saß zwar mit am Tisch, sagte aber nichts. Justizminister Marco Buschmann hatte vor Beginn des Treffens eindeutig Position bezogen, um in der Ukraine begangene Kriegsverbrechen schneller zu bestrafen und dafür auch die deutschen Gesetze zu ändern. Es gehe unter anderem darum, das Völkerstrafgesetzbuch nachzuschärfen, die Opfer von Kriegsverbrechen zu schärfen, die internationale Kooperation zu verbessern und Gerichtsentscheidungen zu übersetzen, damit „weltweit eine Botschaft gehört wird: Kriegsverbrecher können sich nirgendwo sicher fühlen und Kriegsverbrechen werden effektiv verfolgt.“

Bei der Vereinheitlichung des Vorgehens gegen den Bruch von EU-Sanktionen passte Buschmann jedoch. Denn das wird in Deutschland nach dem Außenwirtschaftsgesetz mit Freiheitsstrafen zwischen drei Monaten und fünf Jahren geahndet, und für diesen Rechtskomplex ist nicht der FDP-Minister Buschmann zuständig, sondern Grünen-Vizekanzler und -Wirtschaftsminister Robert Habeck. Er hatte sich jüngst bereits dafür ausgesprochen, bei der Umgehung von EU-Sanktionen nachzufassen, damit diese besser und schneller wirkten. Er hat nun Anlass, dem polnischen Hinweis nachzugehen, was sein eigenes Haus hier zügiger tun kann.

EU-Justizkommissar Didier Reynders mahnte ebenfalls zur Eile. Es müsse gemeinsam getragene Normen auch für Bußgelder geben, die Zusammenarbeit der Behörden sollte dringend verbessert werden. Reynders sprach dabei auch eine andere geplante Richtlinie an, die es den EU-Staaten künftig erleichtern soll, das Vermögen von in den Krieg verwickelten Oligarchen abzugreifen. In den USA seien bereits erste Millionenbeträge eingezogen worden. Um so wichtiger sei, dass die EU hier ebenfalls vorankomme.

Seine Kollegin, Innenkommissarin Ylva Johansson, machte deutlich, dass der eigentliche Zweck der neuen EU-Gesetzgebung zur Abschöpfung und Einziehung von Vermögenswerten mit dem Kampf gegen die Organisierte Kriminalität zusammen hänge. Sie schätzte das Ausmaß des im Fokus stehenden Vermögens auf derzeit 140 Milliarden Euro, von dem nur ein kleiner Teil konfisziert werde. „Wir wissen: Mitglieder der Organisierten Kriminalität haben keine Angst vor Haftstrafen aber vor dem Verlust ihres illegal erworbenen Vermögens.“ Jedes Jahr kämen vermutlich 50 weitere Milliarden dazu. Die Fahnder bräuchten auch Zugang zu Datenbanken, „sonst ist das Geld weg“, meinte die Kommissarin. Umstritten ist zwischen den Mitgliedern derzeit noch, wie mit Geldern aus unklaren Quellen verfahren werden soll.

Johansson zeigte zugleich auf, dass mit dieser Richtlinie künftig auch gegen Oligarchen vorgegangen werden, die an Kriegsverbrechen oder dem Umgehen von Sanktionen beteiligt seien. Dann könnten deren Vermögen nicht nur eingefroren, sondern auch eingezogen und für den Wiederaufbau der Ukraine verwendet werden. Der Umfang des eingefrorenen Vermögens von Russen in der EU beträgt inzwischen mindestens 19 Milliarden.

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