Zu viel Dünger EU verklagt Deutschland wegen hoher Nitrat-Werte im Grundwasser
Berlin · Die Bundesregierung tut nach Ansicht der EU-Kommission zu wenig gegen die hohe Nitratbelastung im Wasser – deshalb hat Brüssel Deutschland nun vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt.
Die Bundesregierung tut nach Ansicht der EU-Kommission zu wenig gegen die hohe Nitratbelastung im Wasser — deshalb hat Brüssel Deutschland nun vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt.
Umwelt- und Landwirtschaftsministerium in Berlin verwiesen am Montag auf die neue Düngeverordnung, die ab dem nächsten Jahr "mittelfristig" für Entlastung sorgen soll. Als Hauptverursacher für die Nitratbelastung gilt die Landwirtschaft.
Der Europäische Gerichtshof bestätigte am Montag den Eingang der Klage am 27. Oktober. Es handelt sich demnach um eine sogenannte Feststellungsklage, bei dem die Kommission verlangt, den Verstoß Deutschlands gegen die EU-Nitratrichtlinie von 1991 festzustellen. Sanktionen sind damit üblicherweise nicht verknüpft. Diese könnten erst nach einer Verurteilung von Brüssel in einer zweiten Klage gefordert werden, wenn Deutschland dann weiter nicht reagiert.
Die Klageschrift aus Brüssel ist laut WDR über 1500 Seiten lang und "im Ton ungewöhnlich scharf". Demnach hätte Deutschland spätestens 2012 die Vorschriften zum Schutz der Gewässer vor zu viel Nitrat aus der Landwirtschaft verschärfen müssen. Da zweimalige Aufforderungen im Rahmen des EU-Vertragsverletzungsverfahrens nach Auffassung der EU-Kommission keine Besserung brachten, entschied sie sich im April zu der Klage.
Brüssel kritisiert laut WDR insbesondere, dass in Deutschland nach wie vor erheblich mehr Dünger auf die Äcker aufgebracht werden dürfe, als die Pflanzen überhaupt aufnehmen können. Kritisiert werden demnach auch die Sperrzeiten, in denen das Ausbringen von Gülle verboten ist: In Deutschland betragen sie derzeit maximal drei Monate. Stand der Wissenschaft seien laut EU-Kommission jedoch fünf bis sieben Monate Düngepause.
Im aktuellen Gewässerbericht von Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt von Ende Oktober heißt es zwar, beim Grundwasser erreichten 96 Prozent der Grundwasserkörper einen "guten mengenmäßigen Zustand" und 64 Prozent einen "guten chemischen Zustand". Dort, wo der chemische Zustand als "schlecht" bewertet wird, gibt es aber meistens zu hohe Nitratkonzentrationen.
Die geplanten neuen Vorgaben in der Düngeverordnung hatte das Kabinett im Oktober verabschiedet; im Dezember soll die Verordnung an den Bundesrat gehen. Das Landwirtschaftsministerium betonte, Ziel sei "ein Ausgleich zwischen Umweltinteressen und einer praktikablen Lösung für Landwirte". Der Deutsche Bauernverband warnte davor, nach der Klage aus Brüssel nun "noch schärfere Regelungen draufzusatteln". Die Bundesländer sollten keine weiteren Veränderungen vornehmen und die Verabschiedung nicht verzögern.
Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe oder der BUND kritisierten, Deutschland habe es versäumt, die Massentierhaltung und damit die Hauptursache für die Nitratbelastung zu begrenzen. Die intensive Tierhaltung verursache "viel zu viel Gülle", erklärte BUND-Chef Hubert Weiger. Es müsse endlich strengere Regeln für Ausbringung, Lagerung und Transport geben. Germanwatch warf der Bundesregierung "Verzögerungstaktik" vor.
Nitrat hilft Pflanzen beim Wachsen und wird häufig als Düngemittel eingesetzt. Überhöhte Mengen von Nitrat führen allerdings zu starken Wasserverunreinigungen und verringern die biologische Vielfalt in den Gewässern. Eine Nitratkonzentration von über 50 Milligramm pro Liter kann nach Angaben der EU-Kommission erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen haben, insbesondere auf schwangere Frauen und Kleinkinder.