Transatlantischer Handelsstreit Schwarze Oliven verfinstern die Stimmung

Analyse | Brüssel · Im Handelsstreit mit den USA achtet die EU derzeit auf jedes Signal aus Washington. Das erste im neuen Jahr ist denkbar schlecht. Und es hat mit den Auswirkungen der alten „Amerika-zuerst“-Strategie auf spanische Oliven zu tun.

US-Präsident Joe Biden verlässt am Sonntag in Mexiko die Air Force One.

US-Präsident Joe Biden verlässt am Sonntag in Mexiko die Air Force One.

Foto: AP/Andrew Harnik

Das Interesse richtet sich beim Treffen im Restaurant zumeist auf Gerichte, Getränke und Gespräche. Dabei wird das kleine Schälchen Oliven als Gruß des Hauses vorab meist übersehen, obwohl es die Stimmung durchaus zu beeinflussen vermag. Genauso verhält es sich zu Jahresbeginn mit dem andauernden Megastreit zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten um Washingtons 370-Milliarden-Programm. Die USA wollen damit ihre Industrie stärken und klimafreundlich umbauen, die EU befürchtet unlautere Subventionen und ein Abwerben von europäischen Unternehmen. Noch unklar ist, wie das Ringen ausgeht. Aber in dem Konflikt bilden Oliven schon mal einen bemerkenswerten Jahresauftakt-Akzent.

Norbert Lins, deutscher Christdemokrat und Chef des Agrarausschusses im Europäischen Parlament hat die spanischen Oliven nämlich demonstrativ auf die Tagesordnung des ersten Treffens des Jahres in Brüssel gesetzt. Die Baumfrüchte sind so etwas wie der Lackmustest für die Versprechungen der Biden-Administration, die hoch gehen transatlantischen Wogen glätten zu wollen. Unter seinem Vorgänger Donald Trump hatten die USA die Oliven des Weltmarktführers 2018 mit 35prozentigen Strafzöllen belegt und damit das Hauptabsatzgebiet der Spanier sozusagen abgekappt.

Wie Gabriel Cabello von der Oliven-Genossenschaft Agrosevilla den Europa-Abgeordneten in Brüssel berichtete, mussten die Oliven-Produzenten viele Arbeitsplätze streichen, Verluste im dreistelligen Millionenbereich verkraften und mit ansehen, wie die Amerikaner die spanischen Oliven-Importe durch solche aus Ägypten, Marokko und aus der Türkei ersetzten. Die EU legte bei der Welthandelsorganisation (WTO) Beschwerde ein - und bekam Recht. Die WTO entschied bereits am 21. November 2021, dass die US-Zölle rechtswidrig seien. Also vor über einem Jahr. Doch nach dem aktuellen Bericht der Kommission, hat die US-Administration trotz aller EU-Vorstöße auf technischer wie politischer Ebene keine Bewegung erkennen lasse. „Es hat sich bis jetzt nichts geändert“, fasste Lins im Agrarausschuss zusammen.

Seine Kollegen, die spanischen Olivenbauern und die EU-Kommission bewerten das wie Lins: Im Grunde gehe es den USA gar nicht in erster Linie um die schwarzen Oliven, sondern um einen Angriff auf die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union. Heute seien es schwarze Oliven, morgen könnten es Speiseöl oder Fleischprodukte sein. Denn auch nach WTO-Urteil sei es den USA nicht gelungen, eine direkte Beziehung zwischen allgemeinen europäischen Agrarsubventionen, EU-Beihilfen für umweltfreundliche Landwirtschaft und einem angeblich unlauteren Oliven-Wettbewerb herzustellen.

So wäre es der US-Administration ein leichtes gewesen, zu Jahresbeginn ein Zeichen der Entspannung Richtung Europa zu senden. Dass sie es im Vorfeld aller weiteren Treffen zum Hauptstreitpunkt bei der kleinen Oliven-Vorspeise nicht tat, macht atmosphärisch klar, auf was sich die Europäer einzustellen haben. Zwar hatte Präsident Joe Biden mehrfach angekündigt, einen transatlantischen Handelskrieg unbedingt vermeiden zu wollen. Doch führende US-Handelspolitiker machten inzwischen klar, dass der Inflation Reduction Act (IRA), also das Gesetzespaket zur angeblichen Reduzierung der Inflation, nicht mehr geändert werde.

Die Hoffnung hatte sich auf Ausführungsbestimmungen gerichtet. So könnte die strikte Beschränkung auf eine Förderung allein amerikanischer Produkte aufgeweicht werden, indem auch in den USA geleaste Elektroautos aus Europa subventionierbar sein könnten. Ähnliches erhoffte sich Brüssel bei der Definition subventionierter Batterien. „In diesen Zeiten brauchen wir nicht Handelskrieg über den Atlantik, sondern wir brauchen Handelsdiplomatie über den Atlantik“, bekräftigte Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner beim Dreikönigstreffen seiner Partei. Der Unions-Amerika-Experte Peter Beyer hat bei zahlreichen Gesprächen in den letzten Wochen tatsächlich „auf beiden Seiten des Atlantiks ein deutliches Interesse an einer Vermeidung eines Handelsstreits“ erkennen können. Besonnenheit, weitere Gespräche und überlegtes Handeln seien das Gebot der Stunde.

Doch Lindner hat vor und hinter den Kulissen alle Hände voll zu tun, weitere Konsequenzen abzuwehren, die Brüssel aus dem amerikanischen IRA-Projekt ziehen will. So hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen längst dazu aufgerufen, dem US-IRA ein EU-IRA entgegenzusetzen, also ebenfalls eine beträchtliche Summe in die Hand zu nehmen, um europäische Firmen mit mehr staatlichen Mitteln zu versorgen. Ein Volumen nannte sie noch nicht. Auch ihr Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni wich diese Woche bei Fragen nach den geplanten Dimensionen erneut aus. Das wolle die Kommission bis zum Sommer präzisieren.

Für die nächste Woche werden dagegen Kommissionsvorschläge für eine Lockerung der bislang strengen EU-Auflagen für nationale Beihilfen erwartet. Damit einher geht jedoch die Befürchtung, dass dies die Wettbewerbsbedingungen in der EU in Schieflage bringen könnte, wenn starke Staaten wie Deutschland mal eben zweistellige Milliardenprogramm auflegen könnten, schwächere Staaten aber nicht. Von der Leyens Empfehlung geht denn auch in Richtung eines europäischen „Souveränitatsfonds“. Der könne aus neuen Gemeinschaftsschulden gespeist werden. Deutschland will das nicht, verweist darauf, dass der Corona-Fonds noch reichlich gefüllt sei. Doch der nächste Mega-Streit zeichnet sich damit ab. Dieses Mal nicht mit den USA, sondern innerhalb der EU.

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