Gipfel in Brüssel EU unterschreibt Partnerschaftsabkommen mit Ukraine

Brüssel · Die Ukraine und die Europäische Union haben am Freitag ein jahrelang umstrittenes Partnerschaftsabkommen über enge wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit unterschrieben.

 Freude bei Petro Poroschenko (Mitte): Das Partnerschaftsabkommen mit der EU ist unterschrieben.

Freude bei Petro Poroschenko (Mitte): Das Partnerschaftsabkommen mit der EU ist unterschrieben.

Foto: afp, JT/le

Ungeachtet russischer Warnungen vor der Unterzeichnung setzten auch die Regierungschefs Georgiens und der Republik Moldau in Brüssel ihre Unterschriften unter Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union. "Dies ist ein großer Tag für Europa", sagte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy. Kommissionspräsident José Manuel Barroso sprach von einem "historischen Tag". Moskau drohte mit "ernsten Folgen".

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko erbat von der EU die Zusage einer späteren Mitgliedschaft, sofern sein Land alle Voraussetzungen dafür erfülle. Er gab eine "einseitige Erklärung" ab: "Durch die Unterschrift unter das Abkommen mit der EU unterstreicht die Ukraine als europäischer Staat, der die gemeinsamen Werte von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit teilt, seine souveräne Entscheidung für eine künftige Mitgliedschaft in der EU." Die EU sei "mehr als ein exklusiver Club reicher Staaten".

"Die Folgen der Unterschriften der Ukraine und der Republik Moldau werden zweifellos ernst sein", sagte der russische Vize-Außenminister Grigori Karassin einem Bericht der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Man müsse sehen, wie man "Missverständnisse und Misstrauen" vermeiden könne.

Dagegen versicherte Ratspräsident Van Rompuy: "Es gibt in diesen Abkommen und in der Haltung der EU dazu nichts, was Russland in irgendeiner Weise schaden könnte." Die EU sei bereit, mögliche Missverständnisse mit Russland aufzuklären.

"Das ist das Ergebnis von sieben Jahren Arbeit", sagte Poroschenko mit Blick auf das Ukraine-Abkommen, das einen fast 100-prozentigen Verzicht beider Seiten auf Zölle für Handelswaren vorsieht. Der politische Teil des Pakts mit Kiew war bereits am 21. März unterzeichnet worden. Das Ukraine-Abkommen sollte ursprünglich schon bei einem Gipfel im November 2013 im litauischen Vilnius unterschrieben werden. Der damalige Präsident Viktor Janukowitsch verweigerte aber auf Moskauer Druck hin die Unterzeichnung. Dieser Kurswechsel führte zu monatelangen Protesten auf dem Maidan in Kiew.

Georgiens Regierungschef Irakli Garibaschwili bezeichnete das Abkommen seines Landes mit der EU als "Blaupause für die europäische Integration Georgiens". Georgien wolle "ein volles Mitglied der europäischen Familie werden". Sein moldauischer Kollege Iurie Leanca sagte: "Wir wollen zur europäischen Familie gehören. Wir wissen, wie anspruchsvoll dieser Weg sein wird. Aber zweifeln Sie nicht an unserer Entschlossenheit."

Die EU hat den drei Staaten bisher keine spätere Mitgliedschaft versprochen. "Diese Abkommen bedeuten nicht den Endpunkt der Zusammenarbeit der EU mit ihren Partnern. Das ist nicht das Ende des Weges, sondern der Beginn einer Reise, auf die sich die EU und die drei Partner gemeinsam begeben", formulierte EU-Kommissionspräsident Barroso.

EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle begrüßte den klaren Beitrittswunsch der Ukraine. "Das ist legitim", sagte der Tscheche der Nachrichtenagentur dpa. "Es ist wichtig, dass Präsident Poroschenko diese einseitige Erklärung abgegeben hat."

Die Abkommen sollen die Staaten der östlichen Partnerschaft enger an die EU binden. Russland droht der Ukraine mit "ernsthaften Konsequenzen" wegen der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU. Dies hat der stellvertretende Außenminister Grigori Karasin angekündigt, meldet die Nachrichtenagentur Interfax.

Die Kernpunkte des Abkommens

ZUGANG ZUM EU-MARKT Mit einem Assoziierungsabkommen versucht die EU Nachbarstaaten enger an sich zu binden, ohne ihnen eine EU-Mitgliedschaft zu eröffnen. Ähnliche Abkommen wurden am Freitag auch mit den ehemaligen Sowjetrepubliken Moldawien und Georgien geschlossen. Die EU lockt die Länder vor allem mit einem Argument: Eine graduelle Aufhebung der Handelsschranken gibt den Unternehmen am Ende unbegrenzten Zugang zum größten und reichsten Binnenmarkt der Welt - der Europäischen Union. Die EU unterstützt die Staaten dafür bei der Umsetzung von EU-Regeln und erlaubt ihren Firmen, bei der Vergabe von Aufträgen in der EU mitzubieten. Im Gegenzug verlangt die Union die Einhaltung von demokratischen Standards, die Bekämpfung der Korruption sowie wirtschaftliche Reformen.

WAS BRINGT DAS ABKOMMEN KONKRET? Zunächst sollen Firmen aus der Ukraine leichteren Zugang zum EU-Markt erhalten als umgekehrt. Im günstigsten Fall profitiert die Bevölkerung der Ukraine, Moldawiens und Georgiens von den Abkommen in mehrfacher Hinsicht: So könnte dadurch die Demokratie gestärkt und der Wohlstand erhöht werden. Im Fall der Ukraine sparen die Firmen nach Angaben der EU fast 500 Millionen Euro ein, weil sie keine Zölle mehr zahlen müssen. Die Importe in die EU wachsen Schätzungen zufolge um eine Milliarde Euro pro Jahr, vor allem im Bereich Textilien, Metalle und Nahrungsmittel. Langfristig könnte das ukrainische Wirtschaftswachstum einer EU-Studie zufolge um ein Prozent pro Jahr zulegen. Die EU geht zudem davon aus, dass die drei Länder ihre Waren auch außerhalb der EU besser verkaufen können, wenn sie erst einmal europäische Standards einhalten.

LEIDET DER RUSSISCH-UKRAINISCHE HANDEL?

Auf der anderen Seite hatte Janukowitsch seine Verweigerung der Unterschrift unter das Assoziierungsabkommen auch damit begründet, dass das Handelsvolumen mit Russland in dem Fall um 500 Milliarden Dollar einbrechen würde. Die Umsetzung von EU-Regeln würden noch einmal mit 104 Milliarden Dollar verschlingen. Die EU argumentiert dagegen, dass die Ukraine weiterhin mit Russland handeln kann. In der Bundesregierung hieß es zuletzt, dass die EU mit Russland über mögliche Nachteile des Abkommens bis Oktober reden wolle, wenn die einseitigen Erleichterungen für die Ukraine auslaufen und EU-Firmen gleichermaßen gen Osten exportieren können.

(dpa/REU)
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