Seenotrettung und Kampf gegen Schleuser EU wird gegen Flüchtlingskrise aktiv

Luxemburg · Eine echte Seenotrettung und ein verstärkter Kampf gegen Menschenschleuser: Mit der Doppelstrategie will die EU auf die jüngsten Flüchtlingstragödien mit zusammen tausenden Toten im Mittelmeer reagieren.

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Foto: dpa, Ferl

Europa müsse "alles tun", um weitere Opfer zu verhindern, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Auch Innenminister Thomas de Maizière (CDU) forderte eine "erhebliche Verbesserung" der Seenotrettung. Am Donnerstag kommt in Brüssel ein Krisengipfel zusammen.

Auf Drängen Italiens berief EU-Ratschef Donald Tusk den Gipfel am Montag ein. Dabei soll es um vier Fragen gehen, wie Tusk in einer Videobotschaft erläuterte: Wie sind die Menschenschmuggler zu stoppen? Wie können die Bemühungen zur Rettung von Menschen in Not verstärkt werden? Wie kann den am stärksten betroffenen Mitgliedsländern besser geholfen werden? Wie kann die Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern der Flüchtlinge gestärkt werden?

"Es kann keine Alibis mehr geben"

Zum Auftakt eines Dringlichkeitstreffens der EU-Außen- und Innenminister am Montag in Luxemburg hatte EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini den akuten Handlungsdruck benannt: Nach der Tragödie am Sonntag, bei der vor der libyschen Küste bis zu 950 Menschen ertranken, "kann es keine Alibis mehr geben". Das Ansehen Europas stünde auf dem Spiel. Sie präsentierte einen Zehn-Punkte-Plan, der laut de Maizière eine "Verdoppelung der Maßnahmen" vorsieht.

Bereits am Donnerstag wollen sich nun auch die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten bei einem Sondergipfel in Brüssel mit der Flüchtlingsproblematik beschäftigen. Grundlage der Diskussion soll der in Luxemburg vorgestellte Zehn-Punkte-Plan sein. Neben der Ausweitung der Mittel für Seenotrettung und Plänen zur Zerstörung von Schlepperschiffen umfasst er unter anderem einen Mechanismus zur besseren Verteilung in Europa ankommender Flüchtlinge

Mekel signalisierte Unterstützung

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte hatte zuvor die EU wegen der Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer ungewöhnlich scharf kritisiert. Die Hunderten von Toten seien das Ergebnis eines anhaltenden Politikversagens und eines "monumentalen Mangels an Mitgefühl", sagte Said Raad al-Hussein am Montag in Genf. "Ich bin entsetzt, aber nicht überrascht über die jüngste Tragödie."

Bundeskanzlerin Merkel signalisierte Unterstützung. "Wir werden alles tun, um zu verhindern, dass weitere Opfer im Mittelmeer vor unserer Haustür umkommen auf quälende Art und Weise", sagte sie in Berlin. "Das vereinbart sich nicht mit unseren Werten."

"Migration darf keine Angelegenheit von Leben oder Tod sein"

Zwar gab Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in Luxemburg zu bedenken, eine "ganz schnelle Lösung" werde es nicht geben. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) bot aber schon eine deutsche Vorfinanzierung für einen EU-Rettungseinsatz an. Sein Ministerium sei bereit, die Kosten von rund sechs Millionen Euro zunächst zu übernehmen, sagte er der "Saarbrücker Zeitung".

Innenminister de Maizière hatte bislang dem Kampf gegen Schlepper den Vorrang vor Rettungsmaßnahmen gegeben. Am Montag sagte er in Luxemburg: "Migration darf keine Angelegenheit von Leben oder Tod sein." Er forderte: "Die Seenotrettung muss erheblich verbessert werden. Sie muss schnell organisiert und europäisch finanziert werden." Er warnte abermals, durch eine Ausweitung der Seenotrettung würden kriminelle Schlepperbanden "noch mehr Menschen auf solche gefährlichen Boote schicken". Deshalb müsse auch gegen die Schlepper vorgegangen werden - mit einer "koordinierten Aktion" nicht nur der EU, "sondern mit den Anrainerstaaten".

Bessere Ausstattung für EU-Mission "Triton"

Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi, dessen Land im vergangenen Jahr mit "Mare Nostrum" einen nationalen Seenotrettungseinsatz stemmte und der den EU-Gipfel gefordert hatte, will womöglich noch einen Schritt weiter gehen. "Attacken gegen die Banden des Todes, Attacken gegen Menschenschmuggler gehören zu den Überlegungen", sagte er in Rom. Es gehe nicht um einen breiten "Militäreinsatz", sondern um eine "gezielte Intervention". Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums seien mit einbezogen, um die Möglichkeit zu prüfen.

Der französische Europastaatssekretär Harlem Désir verlangte eine bessere Ausstattung für die EU-Mission "Triton" im Mittelmeer. Diese sei mit "21 Booten, vier Flugzeugen und einem Hubschrauber" zu klein. "Triton" war nach dem Aus von "Mare Nostrum" angelaufen, begrenzt sich aber auf die Küste vor Italien. Die meisten Flüchtlinge ertrinken vor der libyschen Küste.

In der Nacht zum Sonntag war es dort zur vermutlich schlimmsten Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer gekommen. Nach unterschiedlichen Angaben befanden sich zwischen 700 und 950 Menschen an Bord des Unglücksschiffes. Nur 28 Menschen wurden gerettet. Laut einem Überlebenden hatten die Schlepper viele Flüchtlinge im Frachtraum eingesperrt.

Beim Untergang eines Flüchtlingsbootes vor der griechischen Insel Rhodos ertranken am Montag mindestens drei Menschen, darunter ein Kind. Nach Angaben der Hafenpolizei wurden 93 Flüchtlinge gerettet.

(AFP/dpa)
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