Euro-Rettung EU-Richter geben EZB Rückendeckung

Berlin · Der Europäische Gerichtshof billigt das umstrittene Anleihenkaufprogramm der Notenbank und weist damit die Zweifel des Bundesverfassungsgerichts zurück.

Die Zentrale der EZB in Frankfurt am Main. (Archiv)

Die Zentrale der EZB in Frankfurt am Main. (Archiv)

Foto: dpa/Boris Roessler

Die umstrittenen Anleihenkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) in Höhe von bisher 2,6 Billionen Euro sind nach einem richtungweisenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) europarechtskonform und damit erlaubt. Die Notenbank verstoße damit nicht gegen ihr Mandat und nicht gegen das Verbot der Staatsfinanzierung, urteilte das Luxemburger Gericht am Dienstag. Es wies damit Zweifel des Bundesverfassungsgerichts zurück, das nun auf dieser Grundlage zu einem eigenen endgültigen Urteil kommen muss. Dabei wird den Karlsruher Richtern kaum etwas anderes übrig bleiben, als sich der Rechtsprechung des obersten EU-Gerichts zu beugen.

Die EZB erwirbt seit März 2015 Monat für Monat nach einem festgelegten Schlüssel Staatsanleihen der Euro-Mitgliedsländer auf dem so genannten Sekundärmarkt. Sie kauft die Anleihen also nicht direkt von den Staaten, sondern von Banken und anderen Institutionen. Seit Juni 2016 kauft sie auch Unternehmensanleihen. Diese expansive Geldpolitik, die sich im Fachjargon „Quantitative Easing“ oder „Quantitative Erleichterung“ nennt, war eine späte Reaktion auf die europäische Finanzkrise, die 2010 ausgebrochen war. Da die Inflationsrate im Euro-Raum in deren Folge über lange Zeit nicht in die Nähe des EZB-Ziels von nahe, aber knapp unter zwei Prozent kam und die Notenbank die Deflationsgefahr bannen musste, flutete sie die Märkte mit billigem Geld – in der Hoffnung, dass dadurch Investitionen und Preise anziehen würden.

Erst in der jüngeren Vergangenheit zeigte diese Politik tatsächlich Wirkung, die Inflationsrate zog wieder an. Am Donnerstag dürfte der EZB-Rat daher beschließen, ihr Anleihenkaufprogramm Ende 2018 einzustellen.

Zinssenkungen und Anleihenkäufe verbilligen für die Euro-Staaten die Kreditaufnahme. Das half hochverschuldeten Staaten wie Griechenland und Italien besonders, aber auch stärkere Länder wie Deutschland profitierten: Der Bund sparte nach älteren Berechnungen der Deutschen Bank zwischen 2008 und 2016 allein fast 260 Milliarden Euro an Zinsen durch die lockere Geldpolitik.

Die Kläger um den CSU-Politiker Peter Gauweiler sowie die früheren AfD-Politiker Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel sahen darin jedoch eine verbotene Staatsfinanzierung. Die EZB sei längst zur größten Gläubigerin der Euro-Staaten aufgestiegen. Sie finanziere damit die Staatsverschuldung der Länder „in ungeheurem Ausmaß“, sagte Ökonomie-Professor Lucke. Indirekt bezahle Deutschland die Rettung überschuldeter Staaten und maroder Banken in Südeuropa, so die Kritiker. Das EZB-Programm animiere die Länder zum Schuldenmachen und bremse den Reformwillen.

Im Sommer 2017 war das Bundesverfassungsgericht dieser Argumentation teilweise gefolgt. Es sah „gewichtige Gründe“ dafür, dass die Anleihenkäufe tatsächlich gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung verstoßen. Da aber Karlsruhe nicht gegen die europäische Rechtsprechung urteilen kann, wandte es sich zunächst an den EuGH und legte den Luxemburger Richtern einen präzisen Fragenkatalog vor, der nun aber nur teilweise beantwortet worden ist.

Gegner der EZB-Politik reagierten entsprechend wütend auf den EuGH. „Dieser hat die Einwände des höchsten deutschen Gerichts, soweit er sie überhaupt zur Kenntnis nimmt, in einer Weise zurückgewiesen, die man nur als Provokation bezeichnen kann“, erklärten die Unternehmer Heinrich Weiss, Patrick Adenauer und Jürgen Heraeus. Auch sie hatten 2015 gegen die Anleihenkäufe in Karlsruhe Klage eingereicht.

Unterschiedliche Reaktionen löste das Urteil in den Berliner Regierungsfraktionen aus. „Ich habe das Urteil so erwartet. Das oberste Ziel der EZB muss die Stabilität der Euro-Zone sein. Gemessen an diesem Ziel war die EZB-Politik gerechtfertigt“, sagte Lothar Binding, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Eckhardt Rehberg, Chefhaushälter der Unionsfraktion, sagte dagegen: „Ich bin nicht glücklich mit diesem Urteil, weil es auch an anderer Stelle Tür und Tor für weitere, neue expansive Maßnahmen der EZB öffnen könnte.“

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