Außer Merkel und Hollande EU-Mitglieder bestürzt über Camerons Rede

Berlin/Paris · Empörung, Betsürzung, Mahnungen: Die Ankündigung des britischen Premierministers David Cameron, die Bürger seines Landes bis 2017 über den Verbleib in der EU abstimmen zu lassen, hat teils heftige Kritik bei den europäischen Partnern ausgelöst. Deutschland und Frankreich reagierten hingegen eher gelassen. Ein Überblick:

 Aus der EU hagelt es viel Kritik an Camerons Rede.

Aus der EU hagelt es viel Kritik an Camerons Rede.

Foto: afp, BEN STANSALL

EU-KOMMISSION: Sie wertete die Rede Camerons als "wichtigen Beitrag zur demokratischen Debatte in Großbritannien über Europa". Präsident José Manuel Barroso begrüßte die "eindeutige Erklärung" des Premiers, dass dieser einen Verbleib Großbritanniens in der EU wünsche. Man hoffe, dass die "interne Debatte" sich vor allem "auf die Substanz unserer derzeitigen Beziehung" und auf die Vorteile der EU-Mitgliedschaft konzentriere, sagte eine Sprecherin.

EU-PARLAMENT: Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) befürchtet, dass Cameron "ein gefährliches Spiel aus taktischen, innenpolitischen Gründen spielt". Der Premier sei "ein Zauberlehrling, der die Geister, die er rief, nicht mehr beherrscht", kritisierte er. Das Herauspicken einzelner Politikbereiche könne zum Zerbrechen der EU führen. Der Vizepräsident des Europaparlaments, Othmar Karas (SPD), sagte: "Es darf keine neuen Extrawürste für Großbritannien geben."

DEUTSCHLAND: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte Großbritannien zum Verbleib in der EU auf und verlangte Kompromissbereitschaft in der EU-Reformdebatte. "Europa bedeutet auch immer, dass man faire Kompromisse finden muss", betonte sie. "In diesem Rahmen sind wir natürlich bereit, auch über britische Wünsche zu sprechen." Außenminister Guido Westerwelle sagte, nicht alles müsse in oder von Brüssel entschieden werden. "Aber eine Politik des Rosinenpickens wird nicht funktionieren."

FRANKREICH: Auch Präsident François Hollande hofft, dass die Briten im Fall des Falles für den Verbleib in der EU stimmen: "Das Europa, an das wir glauben, ist ein Pakt der Solidarität, und die Solidarität gilt für alle Mitgliedstaaten", sagte eine Regierungssprecherin.
Deutlicher wurde Außenminister Laurent Fabius: Es sei nicht möglich, in der EU "à la carte" vorzugehen. Wenn man einem Fußballverein beitrete, könne man nicht auf einmal sagen, dass man jetzt Rugby spielen wolle. Frankreich werde britischen Unternehmern den roten Teppich ausrollen, falls das Land die EU verlassen sollte.

SPANIEN: Die konservative Regierung in Madrid warnte London vor den wirtschaftlichen und politischen Folgen eines EU-Austritts: "Wer auf sich allein gestellt den Wettbewerb mit Mächten wie den USA, China, Indien oder Brasilien aufnehmen will, hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden", sagte Außenminister José Manuel García-Margallo. "Für die EU wäre ein Austritt der Briten eine schlechte Nachricht", sagte der spanische Minister. "Aber die europäische Lokomotive würde sich dadurch in ihrer Fahrt nicht aufhalten lassen."

SKANDINAVIEN: Der schwedische Außenminister Carl Bildt reagierte per Twitter auf Camerons Forderung nach flexibleren EU-Mitgliedschaften:
"Flexibilität klingt gut. Aber wenn man das Tor aufmacht für ein Europa mit 28 rpt 28 Geschwindigkeiten, wird es am Ende gar kein Europa mehr geben. Nur noch Durcheinander."

NIEDERLANDE: Die Regierung, der sich Cameron europapolitisch verbunden fühlt, appellierte an London, für eine Reform der EU zu kämpfen. Man stimme den Reformforderungen in vielen Punkten zu, erklärte Außenminister Frans Timmermans. "Doch die EU reformiert man von innen heraus und nicht durch Weglaufen."

GROSSBRITANNIEN: Auch in der Heimat sieht sich Cameron heftiger Kritik ausgesetzt. Oppositionsführer Ed Miliband von der Labour-Partei nannte die Pläne ein "riesiges Glücksspiel", das Großbritannien in "Jahre der Unsicherheit" stürzen werde. Ähnlich sieht das der liberaldemokratische Koalitionspartner Camerons: Jahre der Unsicherheit seien nicht im nationalen Interesse und schadeten Wirtschaftswachstum und Arbeitsmarkt, sagte Parteichef Nick Clegg.

(dpa/das)
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