EU-Innenministertreffen in Stockholm Mehr Rückführungen, doch der Weg bleibt umstritten

Brüssel/Stockholm · Die Asylzahlen steigen, die Aufnahmekapazitäten schwinden. Die Staats- und Regierungschefs machen im Februar dazu einen Sonder-EU-Gipfel. Doch schon bei den Vorbereitungen in Stockholm hakt es nun erneut.

 Ein Asylbewerber campiert in Brüssel auf der Straße, weil die Aufnahmeeinrichungen nicht mehr genug Platz haben.

Ein Asylbewerber campiert in Brüssel auf der Straße, weil die Aufnahmeeinrichungen nicht mehr genug Platz haben.

Foto: dpa/Mia Bucher

Schnell sind sich die EU-Innenminister bei ihrem informellen Treffen am Donnerstag in Stockholm einig: Die Zahlen abgelehnter Asylbewerber in der EU müssen runter, die Zahlen der Rückführungen müssen rauf. Von der Zielmarke, 70 Prozent in ihre Herkunftsländer zurückkehren zu lassen, hat sich die EU inzwischen weiter entfernt: Von 29 auf 21 Prozent. Doch bei der Frage, wie das gelingen soll, geben die Staaten unterschiedliche Antworten.

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson setzt unter anderem auf den „Visa-Hebel“. Damit will die EU bei solchen Ländern die Visa-Verfahren verteuern und verzögern, die sich bei der Rücknahme ihrer in der EU abgelehnten Bürger schwer tun oder quer stellen. Hier sieht die Kommission Bangladesch, den Irak, Gambia und Senegal als Beispiele. Nachvollziehen können die EU-Staaten das bislang nur für Gambia. Die schwedische Ratspräsidentschaft ist angetreten, nunmehr das „volle Potenzial“ dieses Hebels einzusetzen. Auch Johansson versichert bei der Zusammenkunft in Stockholm, dass der Mechanismus funktioniere.

Doch nicht alle sind davon überzeugt. „Zurückhaltend“ reagiert etwa Deutschlands Innenministerin Nancy Faeser. Sie plädiert stattdessen für Migrationsabkommen mit einzelnen Staaten. Diese könnten sowohl legale Wege in die EU enthalten als auch Verabredungen zur Rücknahme abgelehnter Asylbewerber. Mit Indien hat Deutschland solch eine Vereinbarung getroffen. Weitere will Faeser bei einer Nordafrika-Reise nächsten Monat einsammeln.

Frankreich will „strikte Maßnahmen“ in der Hinterhand haben, wenn die Gespräche mit den Herkunftsländern scheitern. In Stockholm ist etwa vom Irak die Rede, auch von Somalia und Eritrea. Die Menschen aus diesen Ländern sind unter den Einreisenden stark vertreten. Der Irak liegt an dritter Stelle. Doch noch mehr stammen aus Syrien und Afghanistan. Angesichts der Verfolgungssituation in diesen Regionen kommen Rückführungen hier derzeit kaum in Betracht.

Zugleich stehen die Migrationsberatungen in der EU unter dem Eindruck von zwei weiteren aktuellen Zahlen: 330.000 illegale Einreisen registrierte die EU-Grenzschutzagentur Frontex im vergangenen Jahr – weit mehr als eine Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl der Asylanträge stieg im selben Zeitraum auf über 900.000. So macht nicht nur der Anstieg, sondern auch die Differenz den EU-Verantwortlichen zu schaffen. Und sie spaltet die EU, wie sich in der Dezember-Sitzung der Innenminister zeigte: Die große Mehrheit der Staaten und die Kommission wollte das Schengen-Gebiet der wegfallenden Binnenkontrollen auf Kroatien, Rumänien und Bulgarien ausdehnen. Österreich und die Niederlande ließen jedoch nur die Kroaten hinein. Bei Rumänen und Bulgaren blieb Skepsis eben wegen der Migration.

In der Folge machen die immer geringer werdenden Aufnahmekapazitäten das Thema Migration zu einer vordringlichen Angelegenheit. Entlastung verspricht sich Kommissarin Johansson von ausgeweiteten und beschleunigten Rückführungen. Sie präsentierte den Ministern ein Konzept, das eine verstärkte Digitalisierung, eine intensive Unterstützung bei der Wiedereingliederung von Flüchtlingen in ihren Heimatländern, den Druck via Visa-Regeln und eine größere Kooperation der Mitgliedsstaaten untereinander und mit der Grenzschutzbehörde Frontex vorsieht. Dafür war eigens eine eigene Frontex-Abteilung gebildet worden.

Doch die Rückführungen sind nicht das einzige Feld der Uneinigkeit. Auch die Grenzsicherung gehört dazu. Bulgarien will nun zwei Milliarden aus dem EU-Haushalt, um einen massiven Zaun an der Außengrenze zu finanzieren. Österreich unterstützt den Vorstoß, nachdem sich Bundeskanzler Karl Nehammer und Innenminister Gerhard Karner die Grenzsituation angesehen haben. Wien will nun eine Einigung bereits beim EU-Gipfel übernächste Woche erreichen. Karner sieht „Bewegung in der Sache“. Johansson warnte in Stockholm jedoch davor. Der Haushalt der Union sehe das nicht vor. „Wenn wir Geld für Mauern und Zäune ausgeben, haben wir keine Mittel mehr für andere Dinge“, sagte die Kommissarin.

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