EU-Gipfel beginnt Conte droht mit Veto zu Flüchtlingsbeschlüssen

Brüssel · Die Staats- und Regierungschef der 28 EU-Länder ringen um Lösungen im Dauerstreit über die Flüchtlingspolitik. Italiens Ministerpräsident Conte macht eine deutliche Ansage.

Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte hat mit einem Veto gegen die geplanten Beschlüsse des EU-Gipfels zur Flüchtlingsfrage gedroht, sollten seine Forderungen nicht erfüllt werden. Er sei dann bereit, "daraus alle Konsequenzen zu ziehen", sagte Conte am Donnerstag vor dem Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Eine Blockade der Gipfelbeschlüsse zu Migration sei von ihm zwar nicht gewünscht, aber "eine Möglichkeit".

Conte hatte beim EU-Sondergipfel am Sonntag einen Zehn-Punkte-Plan zur Migrationskrise vorgelegt. Hauptforderung ist, die bisherigen EU-Regeln zu Asyl "zu überwinden". Dabei geht es insbesondere um die Vorgabe, nach der normalerweise das Erstankunftsland für Asylbewerber zuständig ist. Als Mittelmeerstaat ist Italien seit Jahren Hauptankunftsland für Flüchtlinge.

Seine Regierung habe einen "vernünftigen Vorschlag" vorgelegt, sagte Conte. Er entspreche "vollkommen dem Geist und den Grundsätzen, auf denen die EU errichtet ist". Bei Gesprächen mit den EU-Partnern habe er "viele Solidaritätsbekundungen" für die Lage Italiens bekommen. Deshalb sei nun ein "sehr wichtiger Tag. Wir erwarten, dass auf die Worte Taten folgen."

Die neue italienische Regierung aus der fremdenfeindlichen Lega und der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung hat ihren Kurs in der Migrationspolitik deutlich verschärft. Sie verweigert Schiffen von Hilfsorganisationen mit vor Libyen geretteten Flüchtlingen die Einfahrt in Italiens Häfen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstrich vor dem EU-Gipfel, dass der Schutz der europäischen Außengrenzen das vorrangiges Ziel der Flüchtlingspolitik sei. Beim Eintreffen in Brüssel betonte sie am Mittwoch auch die geplante Stärkung der europäischen Grenzschutzagentur Frontex und die Notwendigkeit, die sogenannte Sekundärmigration von Asylbewerbern innerhalb der EU zu begrenzen.

Dieser Punkt ist im Asylstreit mit der CSU besonders strittig. Innenminister Horst Seehofer will Asylbewerber, die bereits in einem anderen Land registriert sind, an den deutschen Grenzen zurückweisen - notfalls im nationalen Alleingang. Merkel will dagegen eine europäische Lösung. In Brüssel sagte sie dazu, die Länder, in denen die meisten Flüchtlinge ankämen, bräuchten Unterstützung. Flüchtlinge dürften sich aber nicht aussuchen können, in welchem Land sie schließlich ein Asylverfahren durchlaufen. Deutschland nimmt in der EU bei weitem die meisten Flüchtlinge auf.

Grundsätzlich hält es Merkel auch für möglich, Flüchtlingsschiffe im Mittelmeer, etwa in Nordafrika anlanden zu lassen. Dazu müssten aber direkte Gespräche mit den betroffenen Ländern geführt und „die Bedürfnisse dieser Länder in Betracht“ gezogen werden. Dies könne zudem nur zusammen mit der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) geschehen.

Der EU-Gipfel wird sich am Abend mit dem höchst umstrittenen Thema Migration und Asyl befassen. Als weitere Themen des zweitägigen Treffens nannte Merkel auch die Reaktion auf die von den USA verhängten Strafzölle und warnte vor einer Spirale der Handelsbarrieren. Am Freitag wollen die Staats- und Regierungschefs über den Stand der Brexit-Verhandlungen mit Großbritannien und über die deutsch-französischen Vorschläge zur Reform der Wirtschafts- und Währungsunion sprechen.

(wer/AFP/dpa)
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