Energieeffiziente Gebäude EU-Sanierungs-Hammer schwebt weiter über den Hausbesitzern
Brüssel · Schwindelerregende Zahlen von 180 Milliarden Zusatzkosten jährlich allein in Deutschland durch die neue EU-Richtlinie zur Gebäude-Energieeffizienz hatten die Hausbesitzer in Aufregung versetzt. Der EU-Entwurf wurde zwar entschärft, doch die Sanierungspflicht kann nun durch die Hintertür kommen.
Als „Hammer“ hatten viele die Brüsseler Pläne empfunden, mit denen die EU-Kommission im Kampf gegen den Klimawandel den großen Anteil von Energiefressern durch schlecht isolierte Häuser in Europa drastisch verringern wollte. Die Gebäude mit den miesesten Werten sollten von einem europaweiten Sanierungszwang erfasst werden. Hausbesitzer und Immobilienwirtschaft vor allem in Deutschland und Italien reagierten empört angesichts jährlicher Kosten in dreistelliger Milliardenhöhe. Auf den Punkt brachte den Protest der EVP-Abgeordnete Dennis Radtke mit dem Satz: „Wir können die Kosten im Kampf gegen den Klimawandel nicht auf Omas Häuschen abwälzen." Nach dem jüngsten Zwischenstand der Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission ist Omas Häuschen zwar vor EU-Vorschriften geschützt. „Aber der Hammer schwebt weiter“, warnte Alexander Tesche vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie am Mittwoch in Brüssel.
Der ursprüngliche Entwurf sah vor, dass die 15 und 25 Prozent der Häuser, die derzeit in den untersten zwei von neun Effizienzklassen eingruppiert sind, ab 2030 so umfassend saniert sein müssen, dass sie jeweils eine Klasse höher gekommen sind. Vor allem der schlechteste Baubestand, der häufig im Besitz von wenig zahlungskräftigen Menschen ist, wäre davon betroffen gewesen. Auch die Bundesregierung warnte davor, diese Personengruppen zu überfordern. Auf der anderen Seite rechneten Klimaschützer vor, dass sich nach 20 Jahren bereits 55 Prozent Kostenersparnis durch geringere Energieausgaben gegenüber dem Sanierungsaufwand ergeben würden.
In den Verhandlungen wurden die Ziele neu definiert und die Bezugsgrößen geändert. So sollen die EU-Mitgliedstaaten nun den Gebäudebestand in zwei Teile gliedern. Die 43 Prozent mit dem höchsten Energieverbrauch sollen so saniert werden, dass sie 55 Prozent Energie einsparen. Das geht in die Richtung einer Anregung von Bundesbauministerin Klara Geywitz, die darauf hingewiesen hatte, dass die Sanierung ganzer Wohnquartiere mehr bringe als der Umbau einzelner alter Häuser. „Die Brüsseler Richtlinie rechtfertigt nun keine Zwangssanierungen mehr, den Zahn haben wir ihr gezogen“, fasst CDU-Energieexperte Markus Pieper zusammen.
Es gebe nun wenig bis gar keine europäische Verbindlichkeit mehr in der Richtlinie, erläutert der Europa-Abgeordnete. Allerdings ist es die Natur von Richtlinien, dass sie nicht unmittelbar geltendes europäisches Recht schaffen, sondern erst noch in jedem Mitgliedsstaat in eigenes nationales Recht überführt werden müssen. Nach dem jetzigen Stand der Verhandlungen haben sich die Mitglied hier einen breiten Spielraum für die Auslegung der EU-Ziele gesichert. „Man kann die Richtlinie in Deutschland zum Vorwand für Zwangssanierungen nehmen, die man ideologisch schon immer wollte“, warnt Pieper. Und er fügt hinzu: „Da müssen wir in Berlin genau aufpassen.“
Die deutsche Bauindustrie macht jedoch nicht nur auf den noch fehlenden Adressatenkreis jener 43 Prozent an Gebäuden aufmerksam, die von einer Sanierungspflicht betroffen sein werden. Sie hält schon den Grundansatz der Effizienz-Richtlinie für ineffizient. Die Mitgliedstaaten hätten nämlich die Etablierung europaweit vergleichbarer Effizienzklassen verhindert. Somit gibt es auch keine Chance, die tatsächliche Situation der Bausubstanz im grenzüberschreitenden Vergleich zu erfassen. Wenn es darum gehe, den Energieverbrauch in Europa zu drosseln, mache es da Sinn, Milliarden in den vergleichsweise guten Bestand in Deutschland zu investieren, wenn mit derselben Summe in Ländern wie Bulgarien ein Vielfaches an Spareffekt erzielt werden könne?, fragt Tesche, Chef des Auslandsbau-Ausschusses des Verbandes.
Und er vermisst die Effizienz bei der Sanierung selbst. Es lasse sich genau aufschlüsseln, wie viel CO2 bei der Herstellung der Baustoffe und bei ihrer Verwendung im Gebäude entstehe. Und da sei es ein gewaltiger Unterschied, ob Teile eines Hauses bei der Sanierung abgerissen und neu gebaut oder kernsaniert würden. Je behutsamer die Sanierung geschehe und je mehr recycelte Baustoffe dafür verwendet würden, desto besser sei dies für die Klimabilanz. In den geplanten EU-Vorschriften fehle hingegen dieser „CO2-Fußabdruck der Baumaßnahmen“.
Für Adrian Heyer, den Brüsseler Bürochef der Deutschen Bauindustrie, reicht es nicht aus, den CO2-Wert der Sanierung in den neuen Energieausweis des Hauses aufzunehmen. Dann sei es zu spät dafür, sich für eine klimaschonendere Sanierungsart zu entscheiden. „Wir sollten den CO2-Schattenwert in die Vergabe selbst einbeziehen“, empfiehlt Heyer.
Es bleibt also genügend zu beraten in den in Kürze anstehenden finalen Verhandlungsrunden zwischen Parlament, Rat und Kommission. Die nächsten Termine sind für Anfang Dezember angesetzt. Bis zum Jahresende soll die Einigung stehen, damit die endgültige Zustimmung der EU-Gesetzgeber folgen und die Frist für die Umsetzung in nationales Recht starten kann. Was auch immer in den 27 Hauptstädten dann damit gemacht wird.