Nach Protesten im "Dschungel" London unterstützt Paris wegen Krise in Calais mit 22 Millionen Euro

Amiens · Zur Entschärfung der Flüchtlingskrise in Calais bekommt Frankreich von Großbritannien weitere 22 Millionen Euro. Damit sollen Absperrungen am Hafen von Calais und am Eurotunnel verstärkt und Flüchtlings-Aufnahmezentren finanziert werden.

Calais: Räumung des Flüchtlingslagers in Calais
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Räumung des Flüchtlingslagers in Calais

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Foto: ap, LR

Das teilten beide Länder am Donnerstag nach Regierungskonsultationen im nordfranzösischen Amiens mit. Aus Protest gegen die Teilräumung des Flüchtlingslagers "Dschungel" nähten sich derweil iranische Flüchtlinge den Mund zu.

Die Flüchtlingskrise am Ärmelkanal war eines der beherrschenden Themen der Regierungskonsultationen, bei denen sich Frankreichs Staatschef François Hollande und der britische Premier David Cameron begleitet von mehreren Ministern in Amiens trafen. Denn die in Calais ausharrenden Flüchtlinge wollen fast alle mit Fähren oder durch den Eurotunnel heimlich nach Großbritannien gelangen - und nicht in Frankreich Asyl beantragen.

In Abkommen mit Großbritannien hat Frankreich sich verpflichtet, die Flüchtlinge davon abzuhalten. Im Gegenzug beteiligt sich Großbritannien an den dadurch anfallenden Kosten. Bereits im Sommer erhöhte London die Finanzmittel für Calais, nachdem immer wieder hunderte Flüchtlinge versucht hatten, durch den Eurotunnel nach Großbritannien zu gelangen. Für neue Sicherheitsmaßnahmen zahlte Großbritannien im vergangenen Jahr nach offiziellen Angaben 82 Millionen Euro an Frankreich.

Nun legt London nochmal drauf: Weil "noch mehr Arbeit" notwendig sei, stelle Großbritannien für das Jahr 2016 zusätzliche 22 Millionen Euro bereit, heißt es in der am Donnerstag vorgestellten gemeinsamen Erklärung beider Länder. Mit dem Geld soll die Sicherheitsinfrastruktur am Hafen von Calais und am Eurotunnel nochmals verstärkt werden, Flüchtlinge aus Calais sollen verstärkt in Aufnahmezentren in anderen Regionen Frankreichs gebracht werden, Flüchtlinge ohne Aussicht auf Asyl sollen schneller in ihre Heimatländer abgeschoben werden.

Die Flüchtlingskrise in Calais hatte in der Vergangenheit immer wieder zu Spannungen zwischen Paris und London geführt. In einem Interview mit der britischen Zeitung "Financial Times" deutete Frankreichs Wirtschaftsminister Emmanuel Macron nun an, bei einem Austritt Großbritanniens aus der EU werde sein Land Flüchtlinge womöglich nicht weiter an der Überquerung des Ärmelkanals hindern.

"Wenn diese Verbindung (die EU-Zugehörigkeit Großbritanniens) zerrissen ist, werden die Flüchtlinge nicht mehr in Calais sein", sagte Macron. Hollande warnte in Amiens, ein "Brexit" würde "Konsequenzen" auf einer Reihe von Gebieten haben, unter anderem "bei der Frage der Flüchtlinge". Ein wichtiges Thema der Beratungen in Amiens war auch die Frage minderjähriger Flüchtlinge, die Verwandte in Großbritannien haben. Hollande sagte, diese Kinder und Jugendlichen müssten "schnell" zu ihren Familien in Großbritannien gebracht werden.

Derweil ging am Donnerstag die Räumung des südlichen Teils des Flüchtlingslagers in Calais weiter. Wie bereits in den Vortagen rissen Bauarbeiter von den Flüchtlingen errichtete Hütten ab, die Polizei war erneut mit einem Großaufgebot im Einsatz.

Für Aufsehen sorgte eine Protestaktion iranischer Flüchtlinge im sogenannten "Dschungel" von Calais: Eine Gruppe von ihnen ließ sich vor laufenden Fernsehkameras und vor Pressefotografen mit Nadel und Faden den Mund zunähen. Dabei wurde ein Schild mit der Aufschrift "Will you listen now?" (Hört Ihr jetzt zu?) hochgehalten. Bereits am Mittwoch hatten sich mehrere iranische Flüchtlinge in Calais den Mund zunähen lassen.

(AFP)
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