Chef der EZB im Bundestag Draghi wirbt um Vertrauen für die EZB

Berlin · Bei seinem Besuch im Bundestag verteidigt der Präsident der Europäischen Zentralbank die umstrittenen Staatsanleihekäufe der Notenbank. Inflationsängste seien unbegründet, da die EZB an anderer Stelle Geld aus dem Markt abziehe. Die meisten Parlamentarier zeigten sich beruhigt.

Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, hat die angekündigten, umstrittenen Euro-Rettungsmaßnahmen der Notenbank im Bundestag vehement verteidigt. Der EZB-Plan, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenländern aufzukaufen, werde die Haushaltsdisziplin der Länder nicht etwa schmälern, sondern steigern, erklärte Draghi am Mittwoch nach einer Anhörung vor rund 200 Bundestagsabgeordneten.

Das geplante Anleihekaufprogramm werde auch die Inflation nicht schüren, da die EZB Liquidität aus den Märkten auch wieder abziehe, betonte der Italiener. "Für jeden Euro, den wir zuführen, werden wir einen Euro entziehen", sagte er. Die Reaktion der meisten Parlamentarier auf den Auftritt fiel positiv aus.

Vor allem Kritik aus Deutschland

Draghi hatte den Besuch im deutschen Parlament selbst angeregt, da ihm nicht verborgen geblieben war, dass der Kurs der Frankfurter Notenbank vor allem in Deutschland Kritik und Befürchtungen ausgelöst hat. "Der Besuch hat sehr zur Vertrauensbildung beigetragen", erklärte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) im Anschluss an die nicht-öffentliche Sitzung des Haushalts-, Finanz- und Europaausschusses. Man habe sich gegen eine öffentliche Sitzung entschieden, weil hinter verschlossenen Türen "schwierige Abwägungsfragen" leichter zu diskutieren seien.

Draghi hatte am 6. September erklärt, die EZB werde den Euro mit allen Mitteln verteidigen. Notfalls werde sie unbegrenzt Staatspapiere von Krisenländern am Markt aufkaufen, um deren Zinsen zu senken. Voraussetzung dafür sei, dass die betroffenen Länder einen Hilfsantrag bei den Euro-Rettungsschirmen ESM und EFSF stellten und sich zu Reformmaßnahmen verpflichteten. Damit will die EZB sicherstellen, dass die Länder ihren Reformprozess fortsetzen, wenn ihnen die EZB zur Seite springt.

Nicht nur Bundesbankpräsident Jens Weidmann sieht in dem Anleihekaufprogramm eine gefährliche Nähe zur Staatsfinanzierung mit der Notenpresse. Auch im Bundestag gibt es weiterhin kritische Stimmen. Befürchtet wird mittelfristig eine wachsende Inflationsgefahr, wenn es der EZB nicht gelingen sollte, das Geldmengenwachstum zu begrenzen.

Was die Euro-Krisenlösung angehe, so führe nichts an Reformen und einer Schuldenrückführung vorbei, sagte am Mittwoch etwa Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) auf dem Tag des Groß- und Außenhandels."Es kann keine Abkürzungen geben ... auch keine Abkürzung über die Europäische Zentralbank", betonte Rösler.

Draghi: Anleihekaufprogramm unumgänglich

Nach Einschätzung der EZB stellten in einigen Ländern eher sinkende als steigende Preise eine Gefahr für die Preisstabilität dar, sagte Draghi. Insofern stehe das Anleihekaufprogramm gar nicht im Widerspruch zum EZB-Mandat, sondern es sei geradezu unumgänglich.

Draghi betonte, dass Anleihen nicht direkt von Ländern, sondern am Markt gekauft würden. "Diese Vorgehensweise steht voll und ganz im Einklang mit dem im Vertrag festgelegten Verbot der Staatsfinanzierung." Die Unabhängigkeit der EZB werde nicht gefährdet.

"Herr Draghi hat überzeugend dargelegt, dass Inflationsängste unbegründet sind", sagte CDU-Haushaltssprecher Norbert Barthle. "Die Ausführungen Mario Draghis müssten nun auch die ständigen Kritiker der Koalition überzeugt haben", sagte Grünen-Haushaltspolitikerin Priska Hinz.

Nach Ansicht von SPD-Haushaltspolitiker Carsten Schneider konnte Draghi den Vorwurf nicht ausräumen, dass der Kurs der EZB auf eine Vergemeinschaftung der Haftung hinauslaufe, ohne dass der Bundestag gefragt wurde.

(mar)
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