EU-Ukraine-Gipfel Die Inszenierung von Kiew

Meinung · EU-Mitglied oder Untergang. Mit diesen zwei Perspektiven halten die Ukrainer den brutalen Angriffen der russischen Kriegsverbrecher stand. Der EU-Gipfel konnte sich jedoch nur an der Absicht verheben, mehr als nur Beteuerungen zu liefern.

 EU-Ratspräsident Charles Michel, Präsident Wolodymyr Selenskyj und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Freitag in Kiew.

EU-Ratspräsident Charles Michel, Präsident Wolodymyr Selenskyj und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Freitag in Kiew.

Foto: dpa/Efrem Lukatsky

Die Erwartungen der ukrainischen Regierung waren hochgespannt, als sich die Europäische Union entschied, diesen EU-Ukraine-Gipfel in Kiew zu machen. Die ganz große Bühne für gigantische Versprechen? Präsident Wolodymyr Selenskyj bekommt den Durchhaltewillen seines Volkes vor allem aus zwei Motivketten gespeist. Die eine ist die grausame Aussicht auf Verfolgung, Entrechtung und Massenmord bei einem russischen Durchmarsch, wie sie sich in zurückeroberten Gebieten auf barbarischste Art immer wieder zeigt. Die andere ist die großartige Aussicht auf ein glückliches Ende als Mitglied der Europäischen Union, wie sie sich durch die Erklärung der Ukraine zum offiziellen Beitrittskandidaten in Rekordzeit andeutete. Da ein baldiger Sieg der Ukraine an den tausend Kilometern Front nicht in Sicht ist, setzte Selenskyj auf euphorisierende Neuigkeiten der Gäste aus Brüssel.

Die jedoch konnten nur oberflächlicher Natur sein. Das zeigte bereits das dünn besetzte Bühnenbild dieses Gipfels. Die EU-Kommissionsmitglieder waren nach ihren Konsultationen am Vortag aus Sicherheitsgründen bereits wieder abgereist, die EU-Staats- und Regierungschefs aus Sicherheitsgründen gar nicht erst angereist. Es zeigte sich jedoch auch bei einer Inhaltsanalyse der Aufführung. Die große Geste, die emotional aufgeladene Symbolik und die scheinbar unverbrüchlichen Versprechen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Ukraine einen Beitritt auf absehbare Zeit nicht erfüllt. Es ist klar, was „die Ukraine“ sein will, aber unklar, was „die Ukraine“ ist: Soll das EU-Recht auch in den 2000 Städten und Dörfern gelten, die Russland besetzt hält?

Jede Bombe, die ukrainisches Gebiet zerstört, jeder Quadratmeter, den die Russen der Ukraine entreißen, entfernt die Ukraine von einer schnellen Aufnahme. Das weiß auch Putin. Und setzt auf Zeit.

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