Drei Monate Not-Regierung Die Griechen spielen ein riskantes Spiel

Düsseldorf (RPO). Die Griechen spannen Europa auf die Folter. Seit mehreren Tagen herrscht Chaos, noch immer ist keine Not-Regierung gefunden, die dem Land wieder Geschlossenheit geben soll. In ihrer Heimat stehen die griechischen Politiker ohnehin im Ruf, korrupt, machtgeil und skrupellos zu sein. Dieser Eindruck entsteht zunehmend auch im Ausland.

 Der ehemalige EZB-Vize Lucas Papademos wird in Griechenland als kommender Ministerpräsident gehandelt.

Der ehemalige EZB-Vize Lucas Papademos wird in Griechenland als kommender Ministerpräsident gehandelt.

Foto: dpa-Zentralbild, dpa

Im krisengeschüttelten Griechenland gestaltet sich die Suche nach einem neuen Ministerpräsidenten schwieriger als erwartet. Eine Krisensitzung jagt die nächste. Gesucht wird vor allem ein Nachfolger für den scheidenden linken Regierungschef Giorgos Papandreou.

Als Favorit gilt weiterhin der frühere EZB-Vizepräsident Lucas Papademos. Mehrere Medien riefen ihn schon zum neuen Regierungschef aus. Die Verhandlungen zwischen den beiden großen Parteien, der sozialistischen Pasok unter Papandreou und der konservativen Neo Democratia hätten ein Ergebnis. Dann wurden die Meldungen wieder zurückgezogen.

Ein Diktat

Das lässt tief blicken. In Griechenland herrscht auf der Führungsebene Chaos. Die Europäer haben das Vertrauen spätestens seit den Referendumsplänen Papandreous verloren. Beim Treffen der Finanzminister in Brüssel verlangten sie von Athen etwas, was in der Welt der internationalen Politik eigentlich ungeheuerlich ist: eine schriftliche Einwilligung, die zugesagten Reformen auch durchzuziehen. Ein Diktat, dem sich Griechenland fügen muss, weil es sonst keine weiteren Milliardenhilfen mehr bekommt. Spätestens Mitte Dezember droht andernfalls die Pleite.

Die Crux an der Geschichte: Derzeit haben die Euro-Retter überhaupt keinen Ansprechpartner. Zwar vertrat Finanzminister Evangelos Venizelos sein Land in Brüssel. Doch kann er keine Zusagen machen, weil er nicht weiß, wer mit welchem Kabinett morgen sein Land regiert.

Das Wort von der "Marionette" geht um

Allem Druck zum Trotz ziehen sich die Verhandlungen quälend in die Länge. Das liegt nicht zuletzt an den beiden großen Parteien, die in den vergangenen Jahren die Macht unter sich aufteilten. Sie haben den Plan ausgetüftelt, für drei Monate einer Übergangsregierung die Verantwortung zu übertragen. Dann soll es Neuwahlen geben.

Darin steckt so viel Risiko wie politisches Kalkül. Koalitionen, Kompromisse, Zusammenarbeit sind der politischen Kultur Griechenlands weitgehend fremd. So wie sich die Parteichefs Giorgos Papandreou (Pasok) und Antonis Samaras (ND) zuletzt gebährdeten, reicht diese Tradition ganz offensichtlich bis in die Gegenwart. Denn sie wollen nicht zulassen, einen neuen Ministerpräsidenten ans Ruder zu lassen, der wirklich frei und unabhängig gestalten kann. Das Wort "Marionette" macht die Runde.

Papademos stellt sich quer

Genau das will allem Anschein nach der so oft als Favorit genannte Banker Papademos nicht mit sich machen lassen. Nach Berichten griechischer Medien verlangte er in den Verhandlungen größere Vollmachten als Papandreou und Oppositionsführer Samaras ihm einräumen wollen. Der ehemalige EZB-Vize soll weitreichende Befugnisse gefordert, eine reine Expertenregierung abgelehnt haben. Die Parteiführer machten sich lieber auf die Suche nach anderen, zugänglicheren Kandidaten. Im Gespräch sind seit Montagabend auch der EU-Ombudsmann Nikiforos Diamandouros und der Vertreter des Landes beim IWF, Panagiotis Roumeliotis.

Wie hektisch, ja sogar willkürlich die Suche zu verlaufen scheint, zeigt das Beispiel eines Anrufs bei dem Kandidaten Diamandouros: Der erzählte zuletzt, er sei am Telefon für den vakanten Posten des Ministerpräsidenten angefragt worden. In dem Gespräch sei seine "Bereitschaft vorgefühlt worden", seitdem habe es keinen Kontakt gegeben. "Ich habe die Möglichkeit, einen Beitrag zu leisten, nicht ausgeschlossen, wenn die Bedingungen passen." Wer ihn angerufen habe und um welche Bedingungen es sich gehandelt habe, wollte der Politikwissenschaftler nicht sagen.

Samaras denkt an die Wahlen

Egal, wer es am Ende macht: Die Aufgabe des neuen Ministerpräsidenten gleicht der eines Vollstreckers mit Bereitschaft zum Martyrium. Die Übergangsregierung soll in den nächsten 15 Wochen bis zur Parlamentsneuwahl am 19. Februar Reformen durchs Parlament peitschen und damit dafür sorgen, dass Athen die zugesagten Kreditzahlungen über 130 Milliarden Euro erhält. Das Beispiel Papandreous zeigt, dass man so etwas politisch nicht überleben kann.

Oppositionschef Samaras hingegen will mit den unpopulären Maßnahmen nicht in Verbindung gebracht werden und unbeschmutzt in den Wahlkampf ziehen. Dass er Ministerpräsident werden will, daraus hat er nie einen Hehl gemacht. Freilich wird er auch dann nicht um Koalitionsverhandlungen herumkommen. Den aktuellen Umfragen nach wird es weder für die Pasok noch die ND zu einer absoluten Mehrheit reichen.

mit Material von Reuters und dapd

(RTR/dapd/rm)
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