Die wichtigsten Fragen rund um die EU-Wahl Deutsche wählen 99 EU-Abgeordnete

Brüssel/Berlin (RP). Heute bestimmen die Deutschen, wer sie im Europa-Parlament vertritt. Was dabei auf dem Spiel steht, wer am Ende welche Macht und welchen Einfluss hat – wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um diese Wahl.

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Brüssel/Berlin (RP). Heute bestimmen die Deutschen, wer sie im Europa-Parlament vertritt. Was dabei auf dem Spiel steht, wer am Ende welche Macht und welchen Einfluss hat — wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um diese Wahl.

Hat meine Stimme Einfluss auf die Anzahl der deutschen Abgeordneten in Straßburg?
Nein. Das neue EU-Parlament wird nach der Wahl insgesamt 736 Abgeordnete aus 27 Ländern haben — darunter 99 deutsche. Die Zahlen sind von den EU-Staaten festgelegt worden. Die Bundesbürger entscheiden also nur über die Verteilung der 99 deutschen Sitze zwischen den Parteien.

Welche Parteien kann ich wählen?
Der Wahlzettel in NRW ist satte 94 Zentimeter lang und listet 31 Parteien und Vereinigungen auf — darunter Nischen-Gruppierungen wie die "Piratenpartei" für freies Herunterladen von Filmen und Musik aus dem Netz, die Violetten für mehr Spiritualität in der Politik oder die Tierschutzpartei.

Kann ich mit meiner Stimme beeinflussen, wer die EU führt?
Kaum. Die Kommission ist sozusagen die Regierung Europas. Wer sie führt, bestimmen maßgeblich die Staats- und Regierungschefs. Allerdings stellt Deutschland mit 99 Abgeordneten die größte nationale Gruppe im EU-Parlament — vor Frankreich, Italien und Großbritannien mit 72.

Wieviel Gewicht hat meine Stimme in Europa?
Das einwohnerstärkste Land der EU stellt zwar die meisten Abgeordneten im Straßburger Parlament. Doch die Bundesbürger haben dort eigentlich zu wenig Einfluss. In Luxemburg kommen 38.000 Wahlberechtigte auf einen Abgeordneten, in Deutschland 628.000. Das verschafft Luxemburgern das sechzehnfache Stimmgewicht.

Gibt es eine Fünf-Prozent-Hürde?
Ja. Nur Parteien, die mindestens fünf Prozent der bundesweit gültigen Stimmen erhalten, werden bei der Zuteilung der 99 deutschen Mandate berücksichtigt. Die Folge: Eine Regionalpartei wie die CSU steht in Bayern praktisch vor einer 40-Prozent-Hürde. Denn in etwa soviel muss sie je nach Wahlbeteiligung holen, um auf ganz Deutschland umgerechnet fünf Prozent zu erzielen. Dafür braucht die CSU mehr Stimmen, als Esten, Malteser, Slowenen und Zyprer zusammen benötigen, um ihre 24 Abgeordneten nach Brüssel zu schicken.

Was tut das Parlament?
Die Abgeordneten sind Gesetzgeber der EU — gemeinsam mit den Staaten im Rat. Das Haushaltsrecht gehört zu ihren wichtigsten Kompetenzen: Sie entscheiden und wachen darüber, wohin die Brüsseler Mittel fließen — immerhin rund 134 Milliarden Euro in diesem Jahr. Eine neue Kommission — die Exekutive der EU — kann nur mit Zustimmung der Volksvertreter ihr Amt antreten. Der Aufnahme neuer Länder müssen die Parlamentarier ebenfalls zustimmen.

Wie viel Macht haben die Abgeordneten bei der Gesetzgebung tatsächlich?
Mehr als viele glauben: 70 Prozent der Entscheidungen im Bundestag gehen mittlerweile auf europäische Vorgaben zurück. Bei drei Viertel der Brüsseler Gesetze entscheidet die EU-Volksvertretung mit. In den vergangenen fünf Jahren waren die Abgeordneten an rund 1500 Legislativ-Verfahren beteiligt. Egal ob fallende Preise für Handy-Telefonate im EU-Ausland, Entschädigungen bei Zugverspätungen, Glühbirnen-Verbot, mehr Schutz für Spar-Einlagen oder weniger Gift im Kinderspielzeug: Die Beschlüsse des Plenums betreffen den Alltag der EU-Bürger unmittelbar.

Was kostet das EU-Parlament den Bürger?
Ungefähr 263 Euro im Jahr zahlt jeder Deutsche in den Brüsseler Haushalt. Knapp drei Euro davon sind für das Parlament bestimmt. Ein Drittel des Budgets der Abgeordnetenkammer fließt allein in Übersetzungsdienste und Dolmetscher-Apparat. Die EU hat 23 anerkannte Amtssprachen.

Warum braucht das Parlament zwei Sitze?
Die Kritik an dem Reise-Zirkus zwischen Straßburg und Brüssel wird immer lauter. Zwölf Mal im Jahr fahren 3500 Abgeordnete, Mitarbeiter und Verwaltungsangestellte für eine Sitzungswoche in die Elsassmetropole. Der europäische Arbeits-Alltag findet sonst in Brüssel statt. Die Pendelei kostet 200 Millionen Euro im Jahr und belastet die Umwelt mit 20 000 Tonnen C02. Viele würden dies gerne ändern und Brüssel zum Sitz des EU-Parlamentes machen. Das Problem: Die Abgeordneten sind in dieser Frage machtlos.

Straßburg ist in den EU-Verträgen als Sitz festgeschrieben. Ändern könnten dies nur die EU-Regierungen. Frankreich blockiert jedoch, weil es das Parlament nicht verlieren will. Die Sitzungen der 1958 gegründeten Parlamentarischen Versammlung der Europäischen Gemeinschaften, der Vorgängerin des heutigen EU-Parlaments, fanden zunächst aus praktischen Gründen in Straßburg statt: Die Abgeordneten konnten dort den Plenarsaal des bereits 1949 gegründeten Europarats nutzen. Kommission und Ministerrat wurden jedoch in Brüssel angesiedelt, 1985 beschloss das Parlament deshalb die Errichtung eines Gebäudes in der belgischen Hauptstadt.

Wieviel verdienen Europa-Abgeordnete?
Ab Juli bekommen alle EU-Parlamentarier eine Einheits-Diät. Sie beträgt 7665 Euro brutto pro Monat — das entspricht der Höhe im Bundestag (7668 Euro). Netto beläuft sich die Summe auf 5963 Euro. Das Geld kommt aus dem EU-Etat, den Deutschland zu 20 Prozent finanziert. Zusätzlich erhalten die Parlamentarier 298 Euro Anwesenheits-Geld an jedem Sitzungstag. Ferner steht ihnen ein monatliches Budget von 17 540 Euro für Mitarbeiter sowie eine Bürokostenpauschale von 4200 Euro zur Verfügung.

Hat die Europa-Wahl Signalwirkung für die Bundestagswahl?

Nicht direkt. Dennoch werten die Parteien den Urnengang als nationalen Stimmungstest. Nach jüngsten Umfragen kann die Union mit einem Vorsprung rechnen und auf 39 Prozent kommen (2004: 44,5 Prozent). Die SPD liegt bei 25 Prozent (21,5), die FDP bei 10 (6,1). Damit hätten Union und Liberale zusammen eine Mehrheit von 49 Prozent. Die Grünen können mit zehn (11,9), die Linke mit acht Prozent (PDS 2004: 6,1) rechnen.

Werden die Abgeordneten nicht doch von EU-Regierungen und Kommission untergebuttert?
Nein. Die EU-Volksvertreter nutzen selbstbewusst ihren Einfluss. So krempelten sie etwa die marktliberale Dienstleistungs-Richtlinie der EU-Exekutive total um, um Lohn- und Sozialdumping zu verhindern. Ein polnischer Klempner muss nun das deutsche Arbeitsrecht einhalten, wenn er in Berlin seine Leistungen anbietet.

(RP)
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