EU-Türkei-Gipfel Merkels Weg ist besser als ein Europa der Schlagbäume

Meinung | Berlin · Angela Merkel hält Kurs und bleibt Herrin im eigenen Haus. Die Kanzlerin setzt unbeirrt auf eine gesamteuropäische Lösung der Flüchtlingskrise mit der Türkei, da kann die CSU zu Hause noch so dagegen zetern. Das war das Signal ihrer Regierungserklärung am Mittwoch.

Kein anderer Weg als der über einen europäisch-türkischen Pakt böte Europa noch die Chance, zum Schengen-Raum mit seinen offenen Grenzen zurückzukehren. Merkels Kritiker können immer nur die Schwächen und Nachteile des zugegeben wackeligen Konzepts anprangern. Eigene Lösungswege außer Abschottung haben sie nicht.

Eine Politik der geschlossenen deutschen Grenzen hätte eine weitere, entscheidende Schwäche: Sie löst das Flüchtlingsproblem für Europa nicht dauerhaft, nicht "nachhaltig", um Merkels Lieblingswort dieser Tage zu bemühen. Die Kanzlerin entlarvt nationale Lösungen wie die Österreichs zu Recht als Scheinlösungen. Die Migranten kommen in Scharen weiter nach Europa. Sie werden sich ihre Routen in Richtung Norden suchen, auch wenn nun die Balkanroute für sie geschlossen ist. Die, die schon in Griechenland sind, werden früher oder später auf die EU-Länder verteilt werden müssen.

Widerwillen in Bezug auf Beitrittsverhandlungen

Natürlich stehen hinter der angestrebten europäisch-türkischen Lösung erhebliche Fragezeichen. Die Zugeständnisse, die die EU der Türkei im Gegenzug machen muss, sind fragwürdig. Vor allem die Visafreiheit für Türken löst in Europa erhebliche Ängste, Sorgen und Widerstand aus. Allerdings war sie bereits im November 2015 von allen 28 EU-Regierungen akzeptiert worden, unter der Voraussetzung, dass die Türkei zuvor mehr als 70 Vorbedingungen erfüllt. Ob die Türkei diese tatsächlich in den kommenden Wochen bereits erfüllen kann, ist zu bezweifeln. Kann sie es nicht, kommt die Visafreiheit eben später. Aber sie wird wohl kommen.

Auch die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei stoßen auf Widerwillen. Allerdings geht es hier noch nicht darum, dass die Türkei der EU wirklich beitritt. Die Verhandlungen werden ergebnisoffen geführt. Die EU kann einem Beitritt trotz dieser Verhandlungen widersprechen.

Ein wackeliger Plan

Besonders fraglich ist auch die Umsetzung des Kerns dieses Vertrages: Die Türkei ist grundsätzlich bereit, jeden Flüchtling, der ab einem Stichtag in Europa ankommt, wieder zurückzunehmen. Dies könnte der Genfer Flüchtlingskonvention widersprechen. Zudem müsste es praktisch umgesetzt werden, der Flüchtling also tatsächlich umgehend zurückgeschickt werden. Im Gegenzug würde die EU der Türkei für jeden Flüchtling einen anderen abgeben, der bereits registriert wurde und eine Bleibeperspektive in der EU hat, weil er die Asyl-Voraussetzungen erfüllt. Gewonnen wäre dabei ein Prozess, der die Migration nach Europa ordnet und steuert.

Ob auf diese Weise die Zahl der Europa kommenden Flüchtlinge tatsächlich reduziert wird, hängt entscheidend davon ab, ob es beiden Seiten gelingt, kriminellen Schleppern wirklich das Handwerk zu legen.

Es ist ein wackeliger, ein fragwürdiger, ein schwieriger Plan, auf den Merkel da baut. Doch er ist gerade für die Wirtschaftsnation Deutschland im Herzen Europas immer noch besser als Abschottung und ein Europa der Schlagbäume.

(mar)
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