Dijsselbloem löst Jean-Claude Juncker ab Der neue Spitzenmann im Euro-Club

Brüssel. · An diesem Montag löst der Niederländer Jeroen Dijsselbloem den luxemburgischen Ministerpräsidenten Jean-Claude Juncker als Chef der Euro-Gruppe ab. Er ist der Kompromisskandidat zwischen den Interessen Deutschlands und Frankreichs.

Europas Krisenherde im Überblick
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Ein Youtube-Video vom November 2012 würde Jeroen Dijsselbloem wohl gerne aus dem Internet verbannen. Da überraschten TV-Reporter den neuen niederländischen Finanzminister mit kritischen Fragen zur europäischen Bankenunion. Dijsselbloem nahm kommentarlos Reißaus.

Einfach weglaufen kann der 46-Jährige künftig nicht mehr. Bei der Eurogruppensitzung heute dürfte der Agrarökonom zum neuen Chef gekürt werden. Er übernimmt damit eine Schlüsselfunktion im Kampf gegen die Schuldenkrise.

Denn der Klub der Finanzminister aus den 17 Ländern mit Gemeinschaftswährung entscheidet maßgeblich über Rettungspakete und Auflagen für Krisenstaaten. Der Neuling auf dem Brüsseler Parkett tritt in die großen Fußstapfen des EU-Urgesteins Jean-Claude Juncker, der sich wegen Amtsmüdigkeit nach acht Jahren zurückzieht.

Ein Jazz-Liebhaber

Dijsselbloem wird zum Shooting-Star wider Willen. Denn er ist der klassische Kompromisskandidat. Ursprünglich hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble Ambitionen auf die Juncker-Nachfolge. Aber als Vertreter eines strikten Sparkurses gegen die Krise war er den Krisenstaaten in Südeuropa nur schwer vermittelbar. Außerdem bremste Frankreich, das sich unter Präsident François Hollande als Fürsprecher der Solidaritätsforderungen aus dem "Club Med" versteht.

Berlin pochte im Gegenzug darauf, dass der neue Eurogruppen-Chef aus einem Land mit der Top-Bonität AAA kommt. Damit war der französische Finanzminister Pierre Moscovici aus dem Rennen. Denn die Top-Note haben außer Deutschland nur noch die Niederlande, Luxemburg und Finnland.

So kam der Niederländer Dijsselbloem zum Zug. Er gehört dem rechten Flügel der niederländischen Sozialdemokraten an. Der Jazz-Liebhaber schrieb am neuen Parteiprogramm mit und war auch einer der Architekten des Wahlkampfes, in dem der Partei der Arbeit (PvdA) unter Spitzenkandidat Diederik Samsom ein überraschendes Comeback gelang. Am Ende lag sie nur knapp hinter der rechtsliberalen VVD von Premier Mark Rutte.

Berlin: "Er hat den richtigen Kurs

Unpopuläre Maßnahmen wie die Erhöhung des Pensionsalters und die Flexibilisierung des Arbeitsmarkts in den Niederlanden sind für Dijsselbloem kein Tabu. Gleich zu Amtsantritt verkündete er zudem, die rigorose Spar- und Reformpolitik seines konservativen Amtsvorgängers beizubehalten — daheim wie in Europa. Dies sichert ihm das Wohlwollen der Bundesregierung. "Er hat den richtigen Kurs", heißt es anerkennend aus Berlin. Gleichzeitig ist er als sozialdemokratischer Parteifreund auch Frankreichs Präsident Hollande vermittelbar.

Dijsselbloem spricht fließend Englisch, seit er im irischen Cork an der Uni forschte. "Er ist unprätentiös und intelligent", heißt es von Kollegen. Er gilt als guter Zuhörer und verhält sich diplomatischer als sein Vorgänger Jan Kees de Jager, der mit scharfen Attacken auf die Südeuropäer auffiel. Diese Qualitäten wird er brauchen. Denn der Chef der Eurogruppe muss vor allem Brückenbauer und Moderator zwischen den Interessen von Geberländern und Hilfsempfängern sein.

Dijsselbloems Unerfahrenheit ist dennoch ein Risiko für das Euro-Krisenmanagement. Und im eigenen Land hat er jede Menge Probleme. Die Häuserpreise fallen, die Pro-Kopf-Einkommen sinken, trotz Milliarden-Sparprogramms dürfte das Königreich ein Haushaltsfefizit von 3,3 Prozent nicht vermeiden können. Zu den Klassenbesten gehört das Land des neuen Euro-Vorsitzenden damit nicht.

(RP/das)
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