Debatte um Hartz IV für Zuwanderer CSU übt scharfe Kritik an der EU-Kommission

Berlin · Die Einschätzung der EU-Kommission, dass Deutschland Zuwanderern leichter Zugang zu Sozialleistungen gewähren muss, ist in der CSU auf scharfe Kritik gestoßen.

Debatte um Hartz IV für Zuwanderer: CSU übt scharfe Kritik an der EU-Kommission
Foto: dpa, Andreas Gebert

Der Vorsitzende der CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Markus Ferber, bezeichnete die entsprechende Stellungnahme aus Brüssel als "brandgefährlich".

Damit werde die "Solidarität der Mitgliedstaaten untereinander so überdehnt, dass am Ende das europäische Einigungswerk gefährdet werden kann", sagte er der "Welt".

Der neue CDU-Generalsekretär Peter Tauber will das Thema auf europäischer Ebene diskutieren. Mit der EU-Kommission müssten Regeln gefunden werden, um einen gezielten Zuzug in die Sozialsysteme zu verhindern, sagte er am Freitag im RBB-Inforadio.

Einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" vom Freitag zufolge erklärt die EU-Kommission in einer Stellungnahme zu einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), Deutschland dürfe arbeitslosen Zuwanderern aus der Europäischen Union nicht grundsätzlich Sozialleistungen verweigern.

Der Ausschluss von EU-Zuwanderern von Hartz-IV-Leistungen sei mit europäischem Recht nicht vereinbar.

Frühere Äußerungen der EU-Kommission gehen allerdings in eine andere Richtung. "Das EU-Recht sagt ganz klar: Es gibt ein Recht auf Freizügigkeit, aber kein Recht auf Einwanderung in die nationalen Sozialsysteme", hatte EU-Justizkommissarin Viviane Reding noch kurz vor Weihnachten der Nachrichtenagentur AFP gesagt.

"Freizügigkeit heißt nicht, frei Sozialleistungen zu beziehen. Laut EU-Recht haben nur arbeitende EU-Bürger ein Recht auf Sozialleistungen."

Sozialrichter: Auch Deutsche schlagen Profit aus Armutsmigration

Der Berliner Sozialrichter Michael Kanert hält den CSU-Slogan zur Armutsmigration "Wer betrügt, der fliegt" für zu undifferenziert. Oftmals seien auch Deutsche am Sozialmissbrauch durch Zuwanderer beteiligt, weil sie davon profitieren, sagte der Jurist der "Süddeutschen Zeitung".

Etwa 90 Prozent aller Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien nähmen überhaupt keine Hartz-IV-Leistungen in Anspruch, erläuterte Kanert, "die scheiden also als ,Missbrauchs-Verdächtige' von vornherein aus". Die Übrigen seien keine "Sozial-Touristen", sondern meist Arbeiter, die so schlecht bezahlt würden, dass sie ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten könnten.

Viele deutsche Firmen würden Zuwanderern bei der Gründung von Scheinfirmen helfen, um billige Arbeitskräfte auf Kosten der Sozialkassen auszunutzen. Das seien "nicht nur einzelne Fälle", betonte Kanert, der seit zwanzig Jahren am größten deutschen Sozialgericht in Berlin tätig ist.

Der Richter wundert sich über die Politik, die einerseits vor Missbrauch warne, andererseits neue Schlupflöcher schaffe: Durch den Wegfall des Mindestlohn für Praktikanten würde man "bald jede Menge rumänische und bulgarische ,Praktikanten' auf deutschen Baustellen antreffen."

(dpa/AFP/KNA)
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