Weltwirtschafsforum in Davos Cameron nennt Merkels Börsensteuer-Pläne "Wahnsinn"

Davos · Der britische Premierminister David Cameron hat den Streit über eine Finanztransaktionssteuer weiter eskaliert: Beim Weltwirtschaftsforum in Davos nannte er den deutsch-französischen Plan für eine europaweite Börsensteuer "Wahnsinn".

Großbritanniens Premierminister David Cameron findet scharfe Worte für Angela Merkels Börsensteuerpläne und nennt sie "Wahnsinn".

Großbritanniens Premierminister David Cameron findet scharfe Worte für Angela Merkels Börsensteuerpläne und nennt sie "Wahnsinn".

Foto: afp, FABRICE COFFRINI

Zugleich warf er in Davos Kanzlerin Angela Merkel (CDU) indirekt Führungsschwäche in der Euro-Schuldenkrise vor. "Da und dort rumzubasteln reicht nicht mehr. Wir müssen kühn und mutig sein und nicht ängstlich und zögerlich", sagte Cameron. Bei Griechenland brachte nach dem Internationalen Währungsfonds (IWF) nun auch die EU-Kommission einen größeren Beitrag öffentlicher Gläubiger ins Spiel.

Cameron machte in Davos mit scharfen Worten deutlich, dass Großbritannien die Einführung einer EU-weiten Steuer auf alle Finanztransaktionen auf keinen Fall mittragen wird. "Wenn man die jetzt in Betracht zieht, dann ist das einfach Wahnsinn. Das sollte man nicht weiter verfolgen." Berlin und Paris hatten zuletzt gehofft, die Briten mit einem Alternativmodell noch ins Boot holen zu können.

Camoren fürchtet um 500.000 Arbeitsplätze

Cameron verwies nun auf die britische Lösung einer Bankgebühr und einer Stempelsteuer auf Aktiengeschäfte: "Das sind Maßnahmen, die andere Länder auch einführen sollten." Die EU-Kommission habe selbst eine Analyse erstellt, nach der eine Transaktionssteuer die Wirtschaftskraft stark drosseln, in Europa "fast 500.000 Arbeitsplätze kosten" und dazu führen könne, dass bestimmte Finanzdienstleistungen "zu bis zu 90 Prozent" aus Europa abgezogen würden.

Die EU-Kommission wies Camerons Äußerungen zurück. "Wenn die Einnahmen wieder sinnvoll in die Wirtschaft fließen, gibt es keine negativen Folgen für Wachstum und Beschäftigung", sagte eine Sprecherin der Nachrichtenagentur AFP. Cameron habe die EU-Analyse "vollkommen aus dem Zusammenhang" gerissen. Schließlich hätten die zusätzlichen Einnahmen von 57 Milliarden Euro auch Auswirkungen auf das Wachstum, sagte die Sprecherin.

Versagensangst in der Euro-Krise

Der Premierminister griff auch das von Merkel dominierte Euro-Krisenmanagement an. Man dürfe sich in der Eurokrise "nicht von Versagensangst leiten lassen"; Europa müsse Führungsqualitäten zeigen. Großbritannien, das als einziges der 27 EU-Länder beim neuen Fiskalpakt nicht mitmacht, wolle aber in der Europäischen Union bleiben. "Wir laufen nicht aus der EU weg. Die Mitgliedschaft in der EU ist selbst gewählt, und wir wollen, dass sie erfolgreich ist."

Wie die IWF-Chefin Christine Lagarde sprach sich auch Cameron für eine Aufstockung des dauerhaften Euro-Rettungsschirms ESM aus, der Anfang Juli mit einem Kreditrahmen von 500 Milliarden Euro startet. Die Bundesregierung lehnt dies bisher ab.

Griechenland wird mehr Geld benötigen

Für die Rettung Griechenlands sind nach Erkenntnissen von EU-Finanzkommissar Olli Rehn weitere staatliche Hilfen zwingend. Um wie geplant die Schuldenlast des Eurostaates bis 2020 auf 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts von derzeit gut 160 Prozent zu senken, werde der derzeit verhandelte Forderungsverzicht der privaten Gläubiger nicht ausreichen, sagte Rehn in Davos. Diese Lücke müssten die Eurostaaten und die EU-Institutionen füllen. Eine Einigung auf das weite Rettungspaket stehe kurz bevor.

"Wir bereiten ein Paket vor, das den Weg für eine nachhaltige Lösung freimacht", sagte der finnische EU-Kommissar. "Es wird dabei wahrscheinlich einen höheren Bedarf an öffentlicher Finanzierung geben, aber nichts Dramatisches." Die Verhandlungen der privaten Gläubiger mit Griechenland über einen Schuldenschnitt befinden sich augenscheinlich in der Endphase.

Der Münchner Wirtschaftsforscher Hans-Werner Sinn (Ifo-Institut) verteidigt die Europa-Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Interview mit unserer Redaktion. Eine Lösung der europäischen Schuldenkrise geht nach seiner Ansicht nach nur noch mit einem Austritt Griechenlands aus dem Euro-Verbund.

(dpa)
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