Analyse der Forschungsgruppe Wahlen Bundespolitik steht bei EU-Wahl im Vordergrund

Mannheim (RPO). Die Europawahl hat aus Sicht der Wähler nicht viel mit Europa zu tun: Themen rund um die EU haben für sie keine hohe Bedeutung. Für die Bürger steht viel mehr die Bundespolitik im Vordergrund, berichtet die Forschungsgruppe Wahlen. Die jetzige Abstimmung tauge zudem nicht als Test für den Urnengang im September.

Gewinner und Verlierer der Europawahl 2009
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Gewinner und Verlierer der Europawahl

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Bei einer Europawahl mit geringer Wahlbeteiligung und einer hohen bundespolitischen Komponente bleibt die Union in Deutschland stärkste Partei, hat nach ihrem guten Ergebnis von 2004 aber klare Verluste. Die SPD bleibt im Bereich ihres extrem schlechten Ergebnisses von 2004, wo sie auf einen historischen Tiefpunkt gefallen war. FDP und Linke, zuletzt ebenfalls schwach, haben Gewinne, die Grünen bleiben voraussichtlich die stärkste der kleinen Parteien.

Für die Gewinne und Verluste der Parteien sind zunächst die besondere Ausgangslage der Parteien 2004 sowie die aktuelle innenpolitische Situation verantwortlich. Die geringe Wahlbeteiligung spielt dabei ebenfalls eine wichtige Rolle, Europapolitik oder europäische Themen hatten hingegen nur eine geringe Bedeutung. Für 57 Prozent der Befragten stand bei ihrer Entscheidung die Bundespolitik, und nur für 36 Prozent das Geschehen in Straßburg und Brüssel im Vordergrund.

Als Testwahl für die Entscheidung im Bund im September ist sie jedoch nicht geeignet - schon allein deshalb, weil im September bei der Bundestagswahl rund doppelt so viele Wähler an der Wahl teilnehmen werden wie jetzt. Bei niedriger Wahlbeteiligung gelingt es der Union traditionell besser ihre Wählerschaft zu mobilisieren als der SPD. Auch der Anteil der Splitterparteien wird bei der Bundestagwahl wesentlich niedriger sein.

Gestiegenes Ansehen bei Volksparteien

Die SPD konnte an der Wahlurne nicht davon profitieren, dass ihr Parteiansehen auf der +5/-5-Skala im Vergleich zu 2004 ganz erheblich gewachsen ist. Mit einer Bewertung von 0,8 (2004: minus 0,4) rangiert die SPD jetzt auf einem Niveau mit der CDU/CSU (0,9; 2004: 0,5). War die Europawahl 2004 vor allem ein Votum gegen die damalige Bundesregierung, bekommt die Große Koalition mit 0,5 jetzt eine wesentlich bessere Note als Rot-Grün 2004 (minus 1,3).

Für ihre Arbeit werden CDU/CSU und SPD heute zwar ganz ähnlich bewertet, in der Kanzler-Frage hat die Union aber einen klaren Vorteil: 52 Prozent wollen Angela Merkel und 27 Prozent Frank-Walter Steinmeier als Regierungschef im Bund. Dies zeigt die strukturelle Schwierigkeit der SPD, die als Juniorpartner der Großen Koalition wahrgenommen wird.

Für die erneut geringe Wahlbeteiligung ist weniger Verdruss oder Europaskepsis verantwortlich, sondern vielmehr Desinteresse und die als gering wahrgenommene Bedeutung der europäischen Parlamentsebene. Während sich ganz allgemein 45 Prozent der Befragten stark für Politik interessieren, sind es mit Blick auf Europa nur 30 Prozent.

85 Prozent der Deutschen halten Entscheidungen des Bundestages, aber nur 56 Prozent die des Europaparlamentes für wichtig. Zwar bezeichnen 75 Prozent die Europäische Einigung als gute Sache (schlecht: 20 Prozent). Damit, wie in der EU Politik gemacht wird, sind aber nur 31 Prozent zufrieden
(unzufrieden: 59 Prozent).

Kritik an EU-Erweiterung

Die EU-Mitgliedschaft oder die Reichweite supranationaler Politik bewerten die Deutschen nüchtern-pragmatisch; an der Erweiterung der Gemeinschaft oder ihren Institutionen gibt es Kritik: In der Mitgliedschaft sehen 48 Prozent für unser Land gleichermaßen Vor- und Nachteile (eher Vorteile: 26 Prozent; eher Nachteile: 22 Prozent). 39 Prozent bezeichnen den Einfluss aus Brüssel und Straßburg als gerade richtig (zu viel: 35 Prozent; zuwenig: 15 Prozent). Allerdings stimmen 63 Prozent der Aussage zu, dass in den letzten Jahren zu viele Länder in die EU aufgenommen wurden; für 68 Prozent sind die EU-Institutionen zu abgehoben und bürgerfern.

Mit 48 Prozent erzielt die Union bei Wählern ab 60 Jahren ihr bestes Ergebnis, allerdings schneidet sie in allen anderen Altersgruppen deutlich unterdurchschnittlich ab, bei den 30- bis 44-Jährigen sind es 34 Prozent, bei den 45- bis 59-Jährigen 33 Prozent und bei den unter 30-Jährigen nur noch 29 Prozent. Die SPD kommt ebenfalls bei den Wählern ab 60 Jahren auf ihr bestes Ergebnis (25 Prozent), zu den anderen Altersgruppen ist der Abstand aber nicht ganz so groß, am schlechtesten schneidet sie bei den 30- bis 44-Jährigen mit 17 Prozent ab.

Die Grünen werden in allen Altersgruppen bis 59 Jahren jeweils drittstärkste Kraft, bei den Wählern ab 60 Jahren erzielen sie aber nur fünf Prozent. Die FDP wird in allen Altersgruppen zweistellig mit Ausnahme der Wähler ab 60 Jahren, bei denen sie neun Prozent erreicht.

Auch in allen Bildungsgruppen wird die Union stärkste Partei. Dabei erzielt sie, wie auch die SPD, ihr bestes Ergebnis bei den Wählern mit Hauptschulabschluss (Union: 45 Prozent, SPD: 28 Prozent). Umgekehrt schneiden die Grünen und auch die FDP bei Wählern mit höherem Bildungsabschluss am besten ab (Grüne: 23 Prozent, FDP: 13 Prozent).

Die Zahlen basieren auf einer telefonischen Befragung der Forschungsgruppe Wahlen unter 1.333 zufällig ausgewählten Wahlberechtigten in Deutschland in der Woche vor der Wahl sowie auf einer Befragung von 19.888 Wählern am Wahltag.

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