Beratungen über Corona-Hilfspaket EU-Chefs hoffen auf Durchbruch – Merkel hält Scheitern für möglich

Brüssel · Im Streit über das milliardenschwere Finanzpaket gegen die Corona-Krise hoffen die EU-Staaten auf einen Durchbruch am Sonntag. EU-Ratschef Charles Michel verlängerte den Brüsseler Sondergipfel um einen Tag, um über Nacht einen neuen Kompromissvorschlag auszuarbeiten.

 Charles Michel (l), spricht mit Angela Merkel (CDU, 3.v.r), Emmanuel Macron (2.v.r), und Ursula von der Leyen (r), auf einer Terrasse des Gebäudes des Europäischen Rats (links neben Merkel sitzt ihr EU-Berater Uwe Corsepius).

Charles Michel (l), spricht mit Angela Merkel (CDU, 3.v.r), Emmanuel Macron (2.v.r), und Ursula von der Leyen (r), auf einer Terrasse des Gebäudes des Europäischen Rats (links neben Merkel sitzt ihr EU-Berater Uwe Corsepius).

Foto: dpa/Francisco Seco

Bundeskanzlerin Angela Merkel hält ein Scheitern des EU-Sondergipfels für das geplante Milliarden-Wiederaufbaupaket in der Corona-Krise trotz tagelanger Beratungen weiter für möglich. „Ob es zu einer Lösung kommt, kann ich nach wie vor nicht sagen“, sagte Merkel am Sonntag in Brüssel beim Eintreffen zum dritten Tag der Beratungen. „Es gibt viel guten Willen. Aber es gibt auch viele Positionen. Und so werde ich mich mit dafür einsetzen. Aber es kann auch sein, dass es heute zu keinem Ergebnis kommt“, fügte sie hinzu.

Eigentlich sollte der am Freitag begonnene Gipfel nur zwei Tage dauern, doch konnten sich die 27 EU-Staaten auch nach mehr als 36 Stunden Verhandlungen bis Samstagabend nicht auf das Finanz- und Krisenpaket einigen. Es besteht aus einem schuldenfinanzierten Konjunktur- und Investitionsprogramm im Umfang von 750 Milliarden Euro und den neuen siebenjährigen EU-Haushaltsrahmen von mehr als 1000 Milliarden Euro.

Knackpunkt sind die Summen sowohl im Haushaltsrahmen als auch im Corona-Rettungsplan. Die sogenannten Sparsamen Vier - Österreich, Dänemark, Schweden und die Niederlande - wollen Kürzungen. Sie haben zudem Bedenken dagegen, dass ein Großteil des Geldes aus dem Corona-Plan als Zuschuss an Krisenländer verteilt werden soll. Wenn überhaupt, wollen sie nur eine kleine Summe an Zuschüssen, strikte Bedingungen und scharfe Kontrollen, wie das Geld verwendet wird.

Mit einem ersten Kompromissvorschlag kam Ratschef Michel ihnen bereits entgegen: Statt 500 Milliarden an Zuschüssen aus dem 750-Milliarden-Topf ging er runter auf 450 Milliarden. In dem für Sonntag erwarteten Vorschlag soll die Summe noch einmal reduziert werden, wie EU-Diplomat berichtete. Krisenstaaten wie Italien und Spanien wollten aber keinesfalls unter 400 Milliarden gehen, sagte er. Diese Haltelinie zogen nach Angaben eines anderen Diplomaten auch Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron ein, die ursprünglich 500 Milliarden Euro an Zuschüssen vorgeschlagen hatten.

Zweiter großer Streitpunkt: Wie wird kontrolliert, dass die EU-Gelder für Zukunftsinvestitionen genutzt und Reformen umgesetzt werden? Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte hatte verlangt, dass Empfänger von EU-Hilfen Reformen nicht nur zusagen, sondern sie bereits vor der Auszahlung umsetzen müssen. Dabei wollte Rutte jedem Land ein Vetorecht geben. Den übrigen EU-Staaten ging das zu weit.

Ratschef Michel schlug als Ausweg einen neuen Mechanismus vor, genannt die „Super-Notbremse“. Demnach können ein oder mehrere Mitgliedstaaten bei Zweifeln oder Unzufriedenheit mit dem Reformstand den EU-Ratschef einschalten. Dieser beauftragt dann den Europäischen Rat oder den Rat der Wirtschafts- und Finanzminister mit Prüfung. So könnte die Auszahlung bis zu einer „zufriedenstellenden Befassung“ zeitweise aufgehalten werden. Ein niederländischer Diplomat begrüßte dies, ließ aber Zweifel, ob dies ausreicht.

Italien und Spanien, die beiden am schlimmsten von der Pandemie betroffenen EU-Staaten, sind laut Diplomaten inzwischen bereit, Bedingungen zu akzeptieren, aber in Maßen. Vor allem wollen sie eine rasche Einigung und schnelle Hilfe. „Wir müssen morgen weitermachen und alles tun, um das im Interesse aller zu Ende zu bringen“, sagte Italiens Regierungschef Giuseppe Conte. Europa werde von den Sparsamen Vier erpresst, klagte er italienischen Medien zufolge.

Darüber hinaus gibt es noch etliche weitere knifflige Punkte. So verkeilten sich die Verhandlungen am Samstag laut Diplomaten auch über den geplanten Rechtsstaatsmechanismus. Ungarn und Polen lehnten es partout ab, die Auszahlung des EU-Gelds künftig an die Einhaltung rechtsstaatlicher Standards zu knüpfen. Streitthema sind zudem die Rabatte für Netto-Beitragszahler beim EU-Haushalt.

(felt/hebu/dpa)
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