Brexit-Verhandlungen May wirft EU Beeinflussung der Parlamentswahl vor

London · Im Streit um den Brexit wird der Ton zwischen London und Brüssel zunehmend schärfer. Großbritanniens Premierministerin Theresa May warf der EU am Mittwoch vor, die britischen Parlementswahlen beeinflussen zu wollen. In Brüssel beharren die Verantwortlichen unterdessen auf ihren milliardenschweren Forderungen.

 Der Ton in den Brexit-Verhandlungen wird schärfer.

Der Ton in den Brexit-Verhandlungen wird schärfer.

Foto: dpa, abl

Premierministerin Theresa May warf der EU am Mittwoch vor, mit "Drohungen" die britische Parlamentswahl beeinflussen zu wollen. Es gebe "einige in Brüssel", die keinen Erfolg der Austrittsverhandlungen wollten, fügte sie hinzu. Der Brexit-Chefunterhändler der EU-Kommission, Michel Barnier, hatte zuvor klargestellt, dass der EU-Austritt für Großbritannien schwierig und teuer wird.

"Europäische Politiker und Vertreter haben Großbritannien gedroht", sagte May vor ihrem Amtssitz in London. Der Zeitpunkt der Äußerungen sei bewusst gewählt worden, "um das Ergebnis der Wahl zu beeinflussen, die am 8. Juni stattfindet."

May fügte hinzu, "die Ereignisse der vergangenen Tage" hätten gezeigt, dass es "einige in Brüssel gibt, die nicht wollen, dass die Verhandlungen ein Erfolg werden. Die nicht wollen, dass Großbritannien gedeiht". Wer auch immer die Parlamentswahl gewinne, habe "eine alles überragende Aufgabe: den bestmöglichen Deal für das Vereinigte Königreich aus dem Brexit herauszuholen", sagte May. "Wenn die Brüsseler Bürokraten uns überrennen, werden wir die Chance verpassen, eine gerechtere Gesellschaft aufzubauen."

Die EU beharrte auf ihren milliardenschweren Forderungen an Großbritannien. "Das ist keine Bestrafung", sagte Chefunterhändler Barnier. Es gehe lediglich darum, "die Konten zu bereinigen". London habe als EU-Mitglied Ausgaben zugestimmt, die es erfüllen müsse. Dies gilt aus Sicht Brüssels auch für die Zeit nach dem Austrittsdatum im März 2019, weil der mehrjährige EU-Finanzrahmen bis Ende 2020 läuft.

Schätzungen aus Brüssel bezifferten den Betrag bisher auf 40 bis 60 Milliarden Euro. Die "Financial Times" berichtete jedoch am Mittwoch, die Rechnung könnte auf bis zu 100 Milliarden Euro steigen, weil Frankreich und Polen darauf pochten, auch Agrarausgaben bis 2020 einzurechnen. Und Deutschland wolle London nicht erlauben, die Austrittsrechnung zu drücken, indem der britische Anteil an EU-Gebäuden und anderen Vermögenswerten abgezogen werde.

London reagierte empört. "Wir werden nicht 100 Milliarden zahlen", sagte Brexit-Minister David Davis im Sender ITV. Großbritannien werde lediglich seine "internationalen Verpflichtungen" erfüllen.

Die EU-Kommission legte am Mittwoch einen Vorschlag zum Verhandlungsmandat für die Brexit-Gespräche vor, die nach der vorgezogenen Parlamentswahl beginnen sollen. Es sieht zweistufige Verhandlungen vor: Erst wenn wichtige Austrittsfragen wie die Finanzverpflichtungen und die Rechte der 3,2 Millionen EU-Bürger in Großbritannien weitgehend geklärt sind, will die EU mit London über die künftigen Beziehungen und insbesondere über ein Handelsabkommen sprechen. May will dagegen parallel über die Austrittsbedingungen und die künftigen Beziehungen verhandeln.

Barnier forderte für EU-Bürger in Großbritannien "lebenslange" Garantien, dass diese dort weiter leben, arbeiten oder studieren können und auch Anspruch auf Sozialleistungen haben. Einen permanenten Aufenthaltsstatus sollen Brüssel zufolge alle EU-Bürger bekommen, die vor dem Austrittsdatum am 29. März 2019 fünf Jahre im Land gelebt haben.

Der Chefunterhändler warnte London davor, die Schwierigkeiten zu unterschätzen. "Einige haben die Illusion geschaffen, dass der Brexit keine materiellen Auswirkungen auf unser Leben haben wird oder dass die Verhandlungen schnell und schmerzlos geführt werden können", sagte er. "Das ist nicht der Fall."

May kündigte am Dienstag an, sie werde in den Verhandlungen "eine verdammt schwierige Frau" sein. Juncker sagte dazu am Mittwoch, er respektiere die Premierministerin. Dass sie "eine harte Lady" sei, habe er schon bemerkt.

Von der vorgezogenen Parlamentswahl erhofft sich May einen starken Rückenwind für ihre Verhandlungen mit Brüssel. Am Mittwoch informierte sie Königin Elizabeth II. über die Auflösung des Parlaments. Das neu gewählte Parlament soll am 13. Juni zusammenkommen.

(AFP/th)
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