Das Brexit-Drama Juncker und Johnson bestätigen Deal – aber die nächste Hürde wartet schon

Brüssel · In letzter Minute haben sich London und Brüssel auf ein Abkommen zum Brexit geeinigt. EU-Kommissionschef Juncker und der britische Premier Johnson geben sich erleichtert. Doch die nächste große Hürde wartet schon.

 Der britische Premierminister Boris Johnson und der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Donnerstag in Brüssel.

Der britische Premierminister Boris Johnson und der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Donnerstag in Brüssel.

Foto: AP/Francisco Seco

Mit der Einigung steigen die Chancen, dass beim Gipfel ein Austrittsabkommen zustande kommt und der britische EU-Austritt geregelt vollzogen werden kann. Doch wartet auch danach noch eine entscheidende Hürde: Das britische Parlament müsste die Vereinbarung mittragen.

Juncker empfahl den Staats- und Regierungschefs, das Abkommen bei dem am Nachmittag beginnenden Spitzentreffen mitzutragen. „Es ist eine faire und ausgewogene Vereinbarung für die EU und Großbritannien und es steht für unseren Einsatz, Lösungen zu finden“, schrieb er auf Twitter.

Premierminister Boris Johnson will sein Land zu Halloween, am 31. Oktober, aus der Staatengemeinschaft führen. Wiederholt hatte er Brüssel mit einem ungeregelten Brexit gedroht. Für den Fall hatten Experten chaotische Verhältnisse für die Wirtschaft und zahlreiche andere Lebensbereiche vorhergesagt.

Kurz vor dem Treffen der Staats- und Regierungschefs hatten Experten der EU und Großbritanniens bis Mittwochabend wichtige Brexit-Fragen geklärt. Darunter war auch die lange sehr umstrittene Zollregelung für Irland, wie der EU-Unterhändler Michel Barnier nach Angaben von Diplomaten in einem EU-Treffen berichtete. Eine Gesamteinigung stand aber auch Stunden danach noch aus, weil einige komplexe Details offen waren.

Am Morgen hatte die nordirisch-protestantische Partei DUP noch signalisiert, dass sie Teile der von London und Brüssel ausgehandelten Vorschläge ablehnt. Johnson ist im Parlament auf die Unterstützung der DUP angewiesen. Am späten Donnerstagvormittag setzte Juncker dann das Signal der Einigung. Ob die DUP dem Abkommen nun zustimmt, war zunächst unklar.

Seit Tagen verhandelten beide Seiten über Änderungen an dem Austrittsvertrag, den die damalige Premierministerin Theresa May 2018 noch mit Brüssel vereinbart hatte. Ihr Nachfolger Johnson verlangte Änderungen, weil er eine zu enge Bindung an die EU fürchtete.

Streitpunkt war die enthaltene Garantieklausel für eine offene Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland, der sogenannte Backstop. Johnson wollte ihn unbedingt streichen. Nach langem Hin und Her hat man eine Alternative gefunden. Nun wird mit Spannung erwartet, ob das britische Unterhaus dem Deal zustimmt. Die Debatte darüber ist für Samstag angesetzt.

Die Vize-Präsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley (SPD), hat den Brexit-Deal begrüßt und für eine sorgfältige Prüfung eine kurze Verlängerung der Austrittsfrist ins Gespräch gebracht. „Ich freue mich, dass die Verhandlungen in letzter Minute zu einem neuen Vorschlag für einen Deal geführt haben“, sagte Barley unserer Redaktion. Man werde sich im Europäischen Parlament den Text jetzt genau anschauen und prüfen, „ob unsere unverhandelbaren Grundsätze gewahrt sind.“

Es gehe vor allem um die Wahrung des Karfreitagsabkommens und die Integrität des Binnenmarktes. Dass die Europäische Kommission mit der britischen Regierung einen Text ausgehandelt habe, sei der erste Schritt im parlamentarischen Verfahren. „Wir prüfen das Ergebnis sorgfältig, das sind wir den Menschen in ganz Europa schuldig. Wenn dazu eine kurze Verlängerung der Austrittsfrist nötig sein sollte, sind wir im Europäischen Parlament dazu bereit, diese zu gewähren.“ Barley sieht die nordirische DUP als Zünglein an der Waage. Diese werde es Johnson sehr schwer machen, den Deal durchs Parlament zu bekommen, sagte sie. „Die Menschen in Nordirland wollen allerdings sicher keinen harten Brexit“, so Barley.

(jd/lukra/AFP)
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