Brexit-Drama Augen zu und durch

Meinung | Düsseldorf · Die Eile, mit der EU und Großbritannien sich geeinigt haben, ist verdächtig. In Wirklichkeit haben die Partner die Probleme nur vertagt, um den Brexit nach zwei Verlängerungen fristgerecht durchzuführen.

 Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, trifft zum EU-Gipfel in Brüssel ein.

Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, trifft zum EU-Gipfel in Brüssel ein.

Foto: dpa/Julien Warnand

Auf einmal geht alles ganz schnell. In nur wenigen Tagen einigen sich die Unterhändler von EU und Großbritannien auf einen Deal zum Austritt des Königreichs, nachdem zuvor in einem jahrelangen Ringen alle Versuche gescheitert waren. Offenbar sind beide Seiten müde und nur daran interessiert, den leidigen Brexit jetzt möglichst rasch über die Bühne zu bekommen.

Doch der neue Vertrag bleibt ein Torso, der nur für den Augenblick Ruhe schafft. Das meiste ist ungeklärt. Bleibt Nordirland tatsächlich Teil des Binnenmarkts, während Großbritannien ihn verlässt? Wird London die Möglichkeit haben, eigene Handelsverträge abzuschließen? Kann Premier Johnson wirklich die Kontrolle über die Angelegenheiten des Königreichs zurückerhalten?

Noch ist nicht einmal geklärt, ob das britische Parlament dem neuen Abkommen überhaupt zustimmt. Die Gruppe der Gegner ist groß – Labour, die schottischen Nationalisten und die protestantische Nordirland-Partei haben bereits ihre Ablehnung angekündigt. Außerdem hat Johnson noch nicht einmal die eigene Fraktion auf seiner Seite und muss obendrein bei anderen Parteien für den Deal werben.

Es bleibt dabei: Der Austritt der Briten aus der EU ist ein Desaster für die Politik, die Wirtschaft und die Gesellschaft. Das Gezerre wird durch den neuen Deal nur vorläufig beendet, die negativen Folgen sind aber noch lange zu spüren. Und die EU muss sich fragen lassen, warum sie allen Vertragsänderungen der bemühten, aber grundehrlichen Premierministerin Theresa May die kalte Schulter zeigte, während sie dem unseriösen Spieler Johnson jetzt entgegenkommt. Es ist sicher gut, dass Bewegung in der Sache ist und die politische Paralysierung bald aufhört. Ein gutes Ende dieses verhängnisvollen Prozesses ist es freilich nicht.

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