Kampf um Nachfolge von David Cameron Boris Johnson kaum zu stoppen

London · Der Brexit führt auch zu einem Machtwechsel in der Downing Street. Bis zum Parteitag im Oktober will der britische Premierminister David Cameron noch im Amt bleiben, dann wird er zugunsten des neu gewählten Vorsitzenden der Konservativen Partei zurücktreten.

 Boris Johnson in London.

Boris Johnson in London.

Foto: ap

Sofort nach Ende seiner Erklärung begann der Kampf um den Spitzenjob. Innerhalb der Fraktion bringen sich jetzt die Kandidaten in Stellung für die Nachfolge von Cameron. Doch das passiert zur Zeit noch hinter den Kulissen, offiziell hat noch niemand seinen Hut in den Ring geworfen.

Die Fraktion nominiert, die Basis wählt

Am Montag wird das "1922 Committee", der Ausschuss der konservativen Hinterbänkler, zusammentreten, um den Zeitplan im Detail festzuschreiben. Nach den Parteistatuten muss der Wettbewerb aus zwei Teilen bestehen: Die Fraktion nominiert, die Basis wählt. Aus einem Feld von Bewerbern werden die 330 Abgeordneten der Konservativen Partei durch eine Reihe von Abstimmungen zwei Kandidaten ermitteln, dann werden die rund 150 000 Mitglieder der Partei den neuen Vorsitzenden bestimmen.

Es wird erwartet, dass die Runde der Nominierung Ende Juli abgeschlossen ist. Danach werden die beiden Anwärter einen vier-bis sechswöchigen Wahlkampf abhalten, bevor die Basis ihr Urteil fällt. Wenn am 2. Oktober der Parteitag der Konservativen in Birmingham beginnt, wird ein neuer Parteichef und Premierminister installiert sein.

Der klare Favorit im Rennen um den Parteivorsitz ist Boris Johnson, der diese Möglichkeit vor ein paar Jahren einmal so kommentierte: "Meine Chancen, das Amt des Premierministers zu erringen, sind so groß wie die, von einem Frisbee enthauptet zu werden. Oder als Olive wiedergeboren zu werden." Doch das war auch schon damals eine Schutzbehauptung, die keiner glaubte, der Johnsons Ehrgeiz kannte. Schon als Bub wollte er "König der Welt" werden. Daraus wird wohl nichts, aber immerhin hat er jetzt die besten Chancen, es bis zum Job des Premierministers zu schaffen.

Seine Pole-Position hat er vor allem seiner großen Popularität in der Öffentlichkeit zu verdanken. Er ist der einzige konservative Politgiker, der quer über alle Parteigrenzen ankommt und den man allein beim Vornamen kennt. Seine Auftritte in der TV-Satire-Sendung "Have I got news for you" haben zur Gründung von Fanclubs geführt, seine ironischen Bemerkungen zum Zeitgeschehen lockern den drögen politischen Alltag auf, und im Internet finden sich Webseiten für "Boris-Zitate". "Wenn Sie konservativ wählen", versprach er einmal während des Wahlkampfs 2005, "wird das Ihren Frauen größere Brüste verschaffen und Ihre Chanchen erhöhen, einen BMW zu gewinnen".

Dass Boris mehr als nur ein Politclown ist, hat er bewiesen, als er zwei Mal die Wahl zum Bürgermeister von London gewinnen konnte, obwohl die Hauptstadt traditionell links steht. Als er sich im Februar für das Brexit-Lager entschied, war klar, dass er Camerons Job im Auge hatte, denn besonders euroskeptisch ist Johnson gar nicht. Aber die Kampagne sollte als Sprungbrett für seine Ambitionen dienen. Jetzt gilt er bei der zutiefst euroskeptischen Parteibasis als der noble Streiter, der seine Prinzipien über alles gestellt hat. Und die Basis hat das letzte Wort bei der kommenden Chefwahl.

Wer hätte eine Chance, ihn zu stoppen? Eine ganze Reihe von Kandidaten könnte es jetzt versuchen. Die Energieministerin Amber Rudd zum Beispiel, die Boris in einer Fernsehdebatte scharf anging und als Modernisiererin gilt. Der Schatzkanzler George Osborne könnte es versuchen, aber er wird sich als Cameron-Alliierter keine guten Chancen ausrechnen können. Justizminister Michael Gove wird kaum zum Kreis der Bewerber gehören, da er solche Ambitionen immer weit zurückgewiesen und als Boris-Freund wohl lieber die Rolle des Königmachers übernehmen will.

Hinter vorgehaltener Hand wurde am Wochenende ein anderer Name als "Anti-Boris-Kandidat" ins Spiel gebracht: Theresa May, die Innenministerin. Sie gilt als eine kompetente Vertreterin des Mainstreams in der Partei, die die über die EU-Debatte verfeindeten Flügel wieder versöhnen könnte. Der 59-Jährigen wird es bei ihrer Bewerbung helfen, dass sie, obwohl sie für den EU-Verbleib war, sich während des Wahlkampfes wohlweislich zurückgehalten hat.

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