Sorge um Griechenland wächst Börsen vor EU-Gipfel auf Talfahrt

Frankfurt/Main · Die Sorge um die Zukunft des Euro ist zurück an den Börsen. Aktienkurse und Gemeinschaftswährung gehen vor Beginn des EU-Sondergipfels auf Talfahrt. Zweifel an der Krisenstrategie Europas drücken auf die Stimmung. Von der EU kommen einige Vorschläge, um das Wachstum in der Euro-Zone wieder anzukurbeln. Diese sollen heute diskutiert werden.

Die Erholung an den Börsen währte nur kurz: Der Streit zwischen Paris und Berlin um Wege aus der Schuldenkrise und Sorgen um Griechenland schickte die Kurse unmittelbar vor dem EU-Sondergipfel auf Talfahrt. Der Dax schloss am Mittwoch mit einem dicken Minus von 2,33 Prozent bei 6285,75 Punkten. Auch an den Aktienmärkten in London, Paris und New York ging es abwärts.

Ein Großteil der Erholung der vergangenen zwei Tage ist damit wieder verpufft. Auch an den Aktienmärkten in London und Paris ging es abwärts. Der Euro sackte um rund einen halben Cent auf den tiefsten Stand seit August 2010.

Das Treffen dürfte klarmachen, "dass es innerhalb der Währungsunion große Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Bewältigung der Schuldenkrise gibt", erklärte die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba).

Zwischen den Euro-Schwergewichten Deutschland und Frankreich gibt es Streit um die Einführung von Eurobonds, für die sich neue französische Präsident François Hollande stark macht. Deutschland ist dagegen. "Bei wichtigen Themen wie etwa Griechenland oder Eurobonds sind keine konkreten Entscheidungen zu erwarten", sagte Aktienhändlerin Dafni Serdari. Einzig solche echten Fortschritte könnten dem Markt aber Erleichterung bringen

Die Sorgen um Griechenland flammen Händlern zufolge wieder auf, nachdem der ehemalige griechische Ministerpräsident Lucas Papademos von realen Gefahren eines bevorstehenden Austritts Griechenlands aus dem Euro gesprochen habe.

Mögliche Eskalation der Lage in Griechenland

Die Europäische Zentralbank (EZB) wappnet sich nach einem Pressebericht bereits gegen eine mögliche Eskalation der Lage in Griechenland. Nach Informationen der Wochenzeitung "Die Zeit" hat die Notenbank einen Krisenstab unter Vorsitz des deutschen Direktoriumsmitglieds Jörg Asmussen eingerichtet, der sich mit dem Thema Hellas beschäftigt. Zuletzt hatte Asmussen aber klargestellt, dass die EZB weiter nach "Plan A" arbeite, nach dem die Griechen in der Euro-Zone bleiben.

Die Deutsche Bundesbank bezeichnete die aktuelle Entwicklung in Griechenland in ihrem Monatsbericht als "in hohem Maße besorgniserregend". Vor den Neuwahlen in Hellas sieht die Notenbank die Gefahr, dass die im Gegenzug zu umfangreichen Hilfsprogrammen vereinbarten Reform- und Konsolidierungsmaßnahmen nicht umgesetzt werden könnten.

Auf der Suche nach sicheren Anlagen flüchteten die Anleger einmal mehr in deutsche Staatsanleihen. Deutschland nahm am Mittwoch erstmals für zwei Jahre neue Schulden auf, ohne dafür Zinsen zahlen zu müssen. Deutschland gilt als einer der letzten verlässlichen Kreditnehmer im Währungsraum. Euro-Krisenländer wie Spanien und Italien müssen über alle Laufzeiten hinweg viel höhere Zinsen als Deutschland bieten, um frisches Kapital anzulocken.

EU-Vorschläge für mehr Wachstum

Mehr Wachstum - so lautet das Credo der EU, um die Wirtschaft mitten in der Schuldenkrise wieder in Schwung zu bringen. Eine Reihe von EU-Instrumenten steht schon dafür bereit. Konkrete Beschlüsse der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union dazu sollen erst beim nächsten regulären EU-Gipfel am 28. und 29. Juni in Brüssel erfolgen. Dies sind die EU-Vorschläge:

EUROPÄISCHE INVESTITIONSBANK (EIB): Die EU-Staaten als Aktionäre sollen das Kapital der Europäischen Investitionsbank um 10 Milliarden Euro aufstocken. Damit könnte die Hausbank der EU mehr große Infrastrukturprojekte in den Mitgliedstaaten mit Krediten zu attraktiven Zinsen mitfinanzieren. Insgesamt könnte die Bank zusätzliche Darlehen von 60 Milliarden Euro ausleihen. Zusammen mit privaten Co-Investoren stünden 180 Milliarden Euro zur Verfügung, rechnet EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy vor. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich bereits hinter diese Idee gestellt.

EU-FÖRDERGELDER: Den EU-Staaten soll erlaubt werden, Geld aus den Brüsseler Strukturfonds als Sicherheit für Darlehen der EIB zu nutzen. Dies würde jenen Staaten, die an den Märkten schlecht Kredite bekämen, Zugang zu EIB-Geld verschaffen. Zudem sollen Krisenländer Gelder, die im EU-Haushalt für die Regionalpolitik vorgesehen sind, besser ausschöpfen können. Bewilligte Summen sollen schneller ausgezahlt werden. Für Griechenland ist dies bereits der Fall, auch für Spanien hat die EU-Kommission dies nun vereinbart.

PROJEKTANLEIHEN: Damit sollen Milliarden-Vorhaben wie Brücken, Stromleitungen oder Bahntrassen schneller finanziert werden. Bei den Projektanleihen geben private Unternehmen Anleihen zur Finanzierung von Großprojekten aus. Die EU-Kommission will gemeinsam mit der EIB einen Teil des Risikos durch Garantien und Kredite übernehmen.

EUROBONDS: Mit diesen gemeinsamen Anleihen könnten die Eurostaaten Geld an den Finanzmärkten aufnehmen. Die Idee ist seit langem umstritten - der neue französische Staatspräsident François Hollande hat das heikle Thema wieder aufgebracht und wird von Italien unterstützt. Deutschland lehnt Eurobonds bisher ab.

FINANZTRANSAKTIONSSTEUER: Diese Abgabe ("Financial Transaction Tax") würde sämtliche Geschäfte und Produkte auf den Finanzmärkten betreffen - von Aktien über Devisen und Anleihen bis hin zu hochriskanten Papieren. Deutschland und Frankreich gehören zu den Befürwortern. Das Vorhaben ist unter den 27 Staaten aber umstritten.
Ob eine schnelle Einführung einer Steuer auf Finanztransaktionen klappt, ist offen.

EU-PATENT: Seit Jahren ringt die EU um ein einheitliches EU-Patent, das die Unternehmen entlasten würde. Nach Schätzungen kostet ein Patent in der EU zehnmal mehr als in den USA. Nun soll das Patent rasch beschlossen werden. Davon verspricht man sich ein schnelleres Zusammenwachsen des Binnenmarktes.

KRITIK an den EU-Plänen: Kritiker bemängeln, dass die Potenziale des vergleichsweise geringen EU-Haushalts und der EIB begrenzt sind.
Werden sie massiv ausgeweitet, belastet das die Staatskassen der Mitgliedstaaten, die den EU-Haushalt finanzieren und die Aktionäre der EIB sind - das würde der Konsolidierungspolitik widersprechen.

(dpa)
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