Interview mit Thomas Mayer "Athen wird nicht aus dem Euro austreten"

Der frühere Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, rät Athen zur Einführung einer Parallelwährung neben dem Euro

Künstler gestalten neue griechische Währung
6 Bilder

Künstler gestalten neue griechische Währung

6 Bilder

Was passiert, sollte der Reformgegner und Sozialist Alexis Tsipras in Griechenland nach der Wahl am Sonntag einen Regierungsauftrag erhalten?

Mayer Die EU wird sich aus Griechenland nicht vollständig zurückziehen können, auch wenn der Internationale Währungsfonds (IWF) die Zahlungen einstellt. Um einen ungeordneten Bankrott des Staates und der Banken und damit den Kollaps der Wirtschaft zu vermeiden, sollte sie weiterhin das Geld für den Schuldendienst bereitstellen und die Rekapitalisierung der Banken vollenden. Dazu müssten die Banken in eine europäische Bad Bank überführt werden, damit sicher ist, dass das Geld für die Rekapitalisierung auch bei den Banken ankommt. Aber die EU sollte die allgemeinen Budgethilfen an den Staat einstellen, wenn eine Fortführung des Anpassungsprogramms nicht mehr möglich ist. Würde sie weiter zahlen, wäre das gesamte bisherige Konzept der EU hinfällig, Hilfe nur gegen Auflagen zu geben.

Welches Szenario für Griechenland ist heute das wahrscheinliche?

Mayer Griechenland wird nicht aus der Euro-Zone austreten. Das will dort kaum jemand. Die Euro-Staaten können das Land auch nicht ausschließen. Also wird es wohl formal in der Euro-Zone bleiben, auch wenn der Staat wahrscheinlich zahlungsunfähig wird. Neben dem Euro könnte dann eine Parallelwährung entstehen, die der Staat ausgibt, um seine Rechnungen zu begleichen.

Warum wäre die Parallelwährung für die Griechen besser als auszusteigen?

Mayer Die Wieder-Einführung der Drachme würde den Bankrott des Staates, der Banken und vieler Unternehmen bedeuten. Das würde zu einer politischen und sozialen Krise führen. Eine Parallelwährung, verbunden mit Unterstützung für den Schuldendienst und die Banken, wäre dagegen mit geringeren volkswirtschaftlichen Kosten verbunden. Wenn Löhne in der Parallelwährung gezahlt werden, könnte sogar eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit erreicht werden.

Welche Folgen hat die Kapitalflucht innerhalb und aus der Euro-Zone?

Mayer Die Kapitalflucht aus den schwachen in die starken Staaten bläht die Ungleichgewichte im Inter-Banken-Zahlungssystem Target 2 auf und bringt hohe Kreditrisiken für Überschussländer wie Deutschland. So hat die Bundesbank Forderungen von rund 700 Milliarden Euro an das Eurosystem. Kapitalflucht aus dem Euroraum insgesamt schwächt den Euro-Kurs.

Wie ist der Euro noch zu retten?

Mayer Ich halte die Bankenunion mit einer EU-weiten Einlagensicherung für notwendig, um den Euro zu stabilisieren. Für eine darüber hinausgehende Übertragung nationaler Souveränität auf die europäische Ebene sehe ich aber keine politische Bereitschaft. Deshalb muss das Prinzip weitgehender nationaler Souveränität in der Fiskalpolitik mit dem der nationalen Haftung wieder verbunden werden. Dies war einmal im Vertrag von Maastricht so vorgesehen — und dahin müssen wir zurückkommen.

Wie viel Zeit bleibt den Regierungen für neue Manöver zur Euro-Rettung?

Mayer Die Zeit wird knapp. Falls Italien vom Zugang zu den Märkten abgeschnitten würde, könnte am Ende nur noch die Europäische Zentralbank (EZB) einen verheerenden Staatsbankrott vermeiden. Der Rettungsschirm würde mit einem insgesamt zwei Billionen umfassenden Markt für italienische Staatsanleihen nicht mehr fertig.

Birgit Marschall führte das Gespräch.

(RP/pst/das/jh-)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort