Bonn EU durchsucht Telekom-Zentrale

Bonn · Preisabsprachen bei Onlineverkehr vermutet. Als Hintergrund gilt ein Machtkampf mit US-Konzernen.

Bonn: EU durchsucht Telekom-Zentrale
Foto: Caro / Oberhaeuser

Ermittler der Europäischen Kommission haben Büros bei der Deutschen Telekom, beim französischen Telefongiganten Orange (frühere France Telecom) und Telefónica in Spanien durchsucht. Es geht um den Verdacht des Missbrauchs ihrer Marktmacht. Dabei handelt es sich nicht um den Verdacht auf Absprachen über die Preise von Privatkundenanschlüssen, sondern um Konditionen für Großkunden.

Vorrangig der Netzbetreiber Cogent sieht sich durch Europas Telefonkonzerne benachteiligt. Sie würden Geld verlangen, weil das Unternehmen aus der US-Hauptstadt Washington immer mehr Internetverkehr seiner Kunden in Europas Netze leiten will. Cogent-Chef Dave Schaeffer bestätigt den Streit, er habe darum Kontakt mit der EU.

Die Telekom und auch France Telecom weisen jeden Vorwurf illegaler Praktiken von sich. Die Bundesnetzagentur und eine ähnliche Behörde in Paris hätten bereits überprüft, ob sie sich inkorrekt verhielten. Die Telekom ergänzt, sie unterstütze die EU bei ihrer Untersuchung — immerhin droht ihr beim Nachweis eines Kartells eine Strafe von bis zu zehn Prozent des Umsatzes. Die EU selbst betont jedoch, es sei keineswegs sicher, dass die durchsuchten Unternehmen sich wirklich schuldig machten.

Hintergrund des Verfahrens ist ein harter Verteilungskampf zwischen US-Internetkonzernen wie Google, Apple, Facebook oder Cogent mit Europas Telefonkonzernen. Speziell die Telekom will nicht mehr akzeptieren, dass die US-Internetgiganten Angebote umsonst oder extrem günstig in hiesige Netze einspeisen, während sie viele Milliarden Euro in den Ausbau der Netze investiert.

Zumindest die Bundesnetzagentur stellt sich bei dem Streit auf die Seite der Telekom. Sie dürfe von Cogent Geld dafür verlangen, wenn Verbindungsstellen teuer aufgerüstet werden, nur um den steigenden Datenverkehr von Cogent aufzunehmen. Das entschied die Agentur im Jahr 2010 — seitdem weigert sich der US-Konzern zu zahlen.

Indirekt hat die Auseinandersetzung zu den heftig umstrittenen neuen DSL-Tarifen der Telekom geführt. Erstens hofft der Konzern auf neue Einnahmen von Privatkunden, indem er künftig Aufschläge für uneingeschränkte "echte Flatrates" ohne jede Drosselung verlangt.

Die neuen Tarife sollen aber auch Anlieferer von Inhalten zwingen, mehr an die Telekom zu zahlen. Denn der Konzern bietet den Unternehmen an, dass ihre Angebote bei den Freivolumen der Kunden nicht mitzählen, wenn sie das finanziell ausgleichen. Bereits jetzt wurde festgelegt, dass der Telekom-Dienst "Entertain" von den Volumengrenzen nicht betroffen ist — dessen Kunden zahlen dafür zehn Euro Extra an die Telekom. Nun hofft der Vorstand, dass auch Giganten wie Google oder Apple Zuschläge zahlen, damit sie ihre Video-Dienste ruckelfrei durchleiten. Und sie sollen es als Werbeargument nutzen, dass genutztes Volumen nicht in Obergrenzen der Kunden eingeht.

(RP)
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